Grenzgeschichte DG - Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

 

 

Dokument 2 - Fürstenbund und Völkerglück 

Dokumente 1 und 2
Mit der Gründung der „Heiligen Allianz " und der Schaffung des „Deutschen Bundes" beschäftigt sich der „ Volksfreund, Wochenblatt für den Kreis Eupen", in zwei Beiträgen . Diese Zeitung, herausgegeben 1849/50 war das Sprachrohr mutiger Eupener Demokraten, die sich hier unter der geistigen Führung des verantwortlichen Redakteurs und damals bereits abgesetzten Eupener Lehrers Theodor Hegener vehement gegen den Abbau der in der Revolution vom März 1848 erkämpften Volksrechte zur Wehr setzten.
Höchstwahrscheinlich stammen beide Artikel und noch einige wettere in diesem Band dokumentierte Beiträge aus dem „Volksfreund" von Hegener selbst, da dieser nach Ansicht des Eupener Heimatforschers Robert Jeuckens alle Leitartikel in diesem Organe selbst schrieb, eventuell aber auch von dem historisch sehr bewanderten damaligen Eupener Stadtschullehrer Mondorf f. (Vgl.: Robert Jeuckens: Die 48er Bewegung in Eupen unter Theodor Hegeners Einfluß, in: ZAGV, Bd. 64/65, Jg. 1951/52, S. 6 u. 40 f.


Dokument 2
Fundort: Der Volksfreund, 2Jg. 1850, Nr. 13, S. 2f

Fürstenbund und Völkerglück.
Ganz aus demselben Grunde wie der heilige Bund zwischen den Monarchen Rußlands, Oesterreichs und Preußens, diesen „Bevollmächtigten der Vorsehung", wie sie sich bescheiden nannten, geschlossen wurde, ganz aus demselben Grunde wurde auch der deutsche Bund zwischen den souverainen Herrschern Deutschlands gestiftet; nämlich um die Unterthanen glücklich zu machen.
Denn dazumal schon hatte das deutsche Volk selbst unter dem Druck der Herrschaft Napoleons den ganz curiosen Gedanken gefaßt, daß ein Volk sich selber glücklich machen müsse. Ein Theil des deutschen Volkes war sogar in dem Wahne, daß seine eingeborenen „Bevollmächtig
ten der Vorsehung“, seine Fürsten, nicht minder ihre Unterthanen geknechtet hätten als der Eroberer. In Preußen zumal war der sonderbare Fall vorgekommen, daß grade als die Gottes-Gnade, der hohe Adel, das Vorrecht, die Leibeigenschaft, die Zünfte und die ächte Unterthänigkeit herrschte, der Staat dem Untergange nahe gebracht wurde, und grade als der demokratische Minister Stein all den alten Plunder vernichtet und den Grund zu der Gleichheit aller Staatsbürger gelegt hatte, da vermochte sich Preußen zu erheben und an Deutschlands Befreiung den kräftigsten Antheil zu nehmen.
So hatte denn das Volk sich auch wirklich selber glücklich gemacht. Allein die Fürsten, die da wissen, daß sie von der Gottes Gnade direct geschaffen sind, um das Volk durch ihr Regiment zu beglücken, können es nicht dulden, daß ein Volk sich selber beglückt. Ein Volk, das sich selber beglückt, ist eigentlich in Empörung gegen seinen Gott und dessen Stellvertreter auf Erden, seinen Fürsten, den Gesalbten des Herrn. - Es wäre daher die Pflicht gewesen, diese ketzerischen Bestrebungen des deutschen Volkes sofort zu unterdrücken. Da jedoch das Volk dazumal die Waffen noch in Händen hatte, mußte man feiner mit ihm umgehen, und so wurde der deutsche Bund am 8. Juni 1815 geschlossen.
Am deutschen Bund hat das Volk Deutschlands gar keinen Theil, denn er ist geschlossen von den Bev
ollmächtigten der deutschen souverainen Fürsten, also eigentlich von den Bevollmächtigten der Bevollmächtigten der Vorsehung. Das sündige Volk hatte daher nur zuzusehen, was ihm die Vorsehung in der deutschen Bundesakte in Gnaden gewährt, und als es das Ding untersuchte, da fand es:
Daß seine sämmtlichen souveränen Fürsten sich verbinden, um den Staat gegenüber dem Ausland zu repräsentiren und zu schützen, und um die Ruhe und Ordnung im Innern aufrecht zu erhalten.
Daß sie deshalb die Rechte der fürstlichen und gräflichen Häuser, die unter der Herrschaft des Barbaren Napoleon gelitten hatten, wieder herstellen.
Daß sie die Häupter dieser Häuser wieder in ihre gottbegnadigte Standesherrschaft einsetzen.
Daß Diese und Familie die privilegirteste Klasse im Staate bilden, ins Besondere in Ansehung der Besteuerung.
Daß sie der alten Rechte und Vorzüge theilhaftig werden.
Daß sie einen privilegirten Gerichtsstand haben.
Daß sie nebst Familien von der Militair-Pflichtigkeit frei sind.
Daß diese hohen Herrschaften sowo
hl die bürgerliche wie die Criminal- Rechtspflege auf ihren Besitzungen in erster und zweiter Instanz, wie die Forstgerichtsbarkeit, Ortspolizei u.s.w. besitzen.
Dem Volke aber? Nun, dem wurden Verheißungen gegeben.
Jedem Staat wurden Landstände versprochen.
Den christlichen Religionsparteien sollten in jedem Lande alle politischen und bürgerlichen Rechte ohne Unterschied zu Theil werden.
Und die Preßfreiheit wird man durch ein Gesetz regeln.
Und damit dies alles gut ausgeführt werde, wurde ein fortwährender Bundestag in Frankfurt veranstaltet, auf welchem nur die Abgeordneten der Fürsten ihren Sitz hatten, u
nd in geheimer Berathung und Beschlußnahme die Unterthanen Deutschlands beglückten.
Daß Deutschland dem Auslande gegenüber nur zum Spott und zur Schande wurde, weiß jedes Kind, das die Schmach erlebt, wie nach dreiunddreißigjährigem Frieden das kleine Dänemark im Stande war, mit einigen Kriegsschiffen Deutschlands Seehäfen zu schließen. Der deutsche Bundestag hatte nicht einmal ein einziges Kriegsschiff geschaffen, um uns vor solcher Schande zu bewahren.
Was hat nun der deutsche Bundestag in den dreiunddreißig Jahren zu thun gehabt? Viel, sehr viel, lieber Leser.
Das deutsche Volk war nämlich mißmuthig geworden und sprach sich m Versammlungen und durch die Presse, in Vereinen und Schriften gar nicht unterthanenhaft über seine Glücklichmacher aus. Da wurden denn politische Verfolgungen eingeführt zur Herstellung der Ruhe und Ordnung. Dann wurden alle politischen Verbindungen aufgelöst und verboten. Dann wurde jede Vereinigung als hochverrätherisch erklärt. Dann wurde die Censur provisorisch eingesetzt und sie blieb provisorisch durch dreißig Jahre. - Dem hoh
en Adel und den hohen Herrschaften wurden dagegen ihre Rechte vollkommen eingeräumt, und um das schöne Gebäude bundesmäßiger Knechtung auszubauen, wurde der deutsche Bund durch Ministerial-Conferenzen im Jahre 1820 befestigt.
In diesen Ministerial-Conferenzen wurde die sogenannte Schlußakte gebildet, durch welche die Einrichtung von Landständen
in den einzelnen Ländern, die das Volk forderte, den Fürsten der Länder überlassen wurde; in welchen die gleiche Berechtigung der verschiedenen christlichen Religionsbekenner in allen deutschen Ländern unausgeführt blieb.
Dahingegen sollen widerspenstige Unterthanen eines einzelnen Staates durch den Bund gezüchtigt werden, und die Fürsten sollen sich hierzu die nöthige Hülfe leisten.
Damit nicht ein gutmüthiger aber schwacher Fürst in unbewachten Augenblicken seinem Volke höhere Rechte einräume, wurde beschlossen, daß in jedem Fürsten die gesammte Staatsgewalt vereinigt bleiben muß, und Zugeständnisse, die diese Staatsgewalt theilen, sollen ungültig sein. - Da in den öffentlichen Verhandlungen etwaiger Stände ein freies Wort gesprochen werden könnte, so gebietet die Schlußacte den Fürsten dafür zu sorgen, daß dies unmöglich oder mindestens nicht durch den Druck bekannt werde. Dahingegen wurde dem Bunde nochmals eingeschärft, ja und ja für die Verwirklichung all der Herren-Rechte Sorge zu tragen, damit dem heiligen Adel seine Rechte und alle gottesgnädigen Verheißungen unverkümmert zu Theil würden.
Das war der Dank der Fürsten und ihr Bund gegen die deutschen Völker, die ihnen mit Treue anhingen und das Land vom Joch der französischen Herrschaft befreit, und ihnen die Kronen und Lorbeeren erobert hatten, und dies war das Glück der Völker, welches ihnen die Fürsten, die Bevollmächtigten der Vorsehung gönnten! Im deutschen Vaterlande blüheten daher Verfolgungen, Einkerkerungen, Verbannungen, heimliche Gerichte, Sonderkommissionen, Censoren, Polizisten, Frömmeleien, Religionsverketzerungen, adlige Vorrechte, previlegirte Gerichte, Hoheits-Vorrechte, Steuerbefreiung und heimliche Regierung mit all ihren das Volk verdumpfenden Folgen. O, gütige Vorsehung!

Wir haben hiermit ganz kurz das offene Knechtungssystem des deutschen Bundes gezeigt; seit dem Januar 1830 aber hat dieser Bund auch eine geheime Geschichte, und diese hauptsächlich ist es, die man kennen lernen muß, - denn ihre Wirkung ist noch nicht zu Ende - um die Gegenwart und Zukunft besser zu verstehen. H.R.


 

 

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Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Verwaltungsrat der Gedenkstätte Breendonk



 

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