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Viel Infrastruktur, viel Apparat, wenig Soziales
Französische und deutschsprachige Gemeinschaft: ein Vergleich
Der Haushalt der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist verabschiedet worden. Wir möchten ihn hier in seinen Tendenzen mit dem Haushalt der Französischen Gemeinschaft vergleichen, der bereits im Dezember 1986 abgestimmt wurde.
Wohlgemerkt, es geht hier nicht darum zu bewerten, sondern ums Beschreiben. Der Vergleich mit dem Haushalt der anderen Gemeinschaft soll dazu verhelfen, die eigene Realität transparent zu machen.
Zur Methode
Wer vergleichen will, muß wissen, was er vergleicht. Will heißen: es muß sichergestellt werden, daß die Kategorien die verglichen werden sollen, auch das gleiche beinhalten.
Es mußten also im Haushaltsvorschlag der Deutschsprachigen Exekutive Umschichtungen und neue Einteilungen vorgenommen werden, und zwar so dargestellt, daß die »Präsentation« des Haushaltes mit der der Französischen Gemeinschaft übereinstimmte.
Machen wir dies an einigen Beispielen deutlich:
Die Kosten für die allgemeine Verwaltung der Französischen Gemeinschaft enthalten u.a. auch die Kosten für die Zentralbibliothek. Diese Kosten sind im Haushaltsvorschlag der Deutschsprachigen Gemeinschaft teilweise im Bereich »Öffentliches Bibliothekwesen« zu finden. Es ging also darum, sie in Rubrik »Kosten für allgemeine Verwaltung« einzufügen. Das gleiche gilt
für das »Commissariat General aux Relations Internationales« (bei uns »Internationale und zwischengemeinschaftliche Beziehungen«) oder für die Rücklagen zur Deckung der Ausgaben, die durch die Steigerung des Preisindex entstehen (bei uns die Abteilung »Verschiedenes«).
Während der Haushalt des RDG selbst sich im Abschnitt 01 des Haushaltsvorschlages der Deutschsprachigen Gemeinschaft befindet, sind die Kosten der Legislativen der Französischen Gemeinschaft in einem gesonderten Haushalt vorgesehen (»Budget des dotations«).
Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen, ist aber in diesem Rahmen nicht notwendig. Halten wir fest: auf diese Weise ergeben sich die Übereinstimmungen, die einen Vergleich erlauben.
Daß wir dabei die Haushaltspräsentation der D.G. derjenigen der F.G. angeglichen haben - und nicht umgekehrt - hängt damit zusammen, daß letztere uns die größere Kohärenz in der Anordnung aufzuweisen schien.
»Soziales« = Familie, Drittes Alter, Familienzusammenführung, Behinderte, Jugendschutz, Aufnahmezentren für sozial Auffällige...
»Gesundheit« = Vorbeugende Medizin (Kinderhilfswerk,
Sportmedizin, Allgemeine Prophylaxe, Gesundheitserziehung...),
Heilmedizin (Heimdienste, psychiatrische Dienste, Zentren für geistige
Gesundheit,...)
»Kultur« = Amateurkunst und Freizeitgestaltung, Kulturzentren, Öffentliches Bibliothekswesen, Jugend, Erwachsenenbildung, Medien.
»Sport und Tourismus« = Sport und Leibeserziehung im Freien, Sport-und Touristikzentren, Tourismus allgemein.
»Ausbildung und Erziehung« = Vor- und
Nachschulische Ausbildung, Ausbildung in der Landwirtschaft, im
Mittelstand und für Arbeitnehmer, Fernkurse, Musikschulen,
Schulmedizinische Untersuchungen.
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Viel Infrastruktur!
Das ist das erste, was auffällt. Im Vergleich zur F.G. investiert die D.G. erheblich mehr in Infrastruktur.
Die Kapitalausgaben, d.h. die Ausgaben für Gebäude, Bauten oder Infrastruktur belaufen sich bei uns auf 15,7% des Gesamthaushaltsvolumens, gegen nur 7,3% in der Französischen Gemeinschaft.
Entsprechend weniger verbleibt bei uns für die sogenannten »Laufenden Ausgaben«, d.h. für das Funktionieren der Institutionen, Organisationen und Vereine.
Viel Apparat, dafür wenig Soziales?
Interessanter ist der Vergleich dieser »Laufenden Ausgaben«. Noch einmal: gemeint sind hier die Ausgaben für das tagtägliche Funktionieren, sozusagen »vor Ort«, d.h. die Personal-, Verwaltungs- und Aktivitätskosten der verschiedensten Institutionen, Organisationen und Vereine im Laufe des jeweiligen Haushaltsjahres. Teilt man diese Ausgaben auf in die Abteilungen »Exekutive«, »Allgemeine Verwaltung«, »Legislative«, »Infrastruktur und Kulturerbgut«, »Soziales«, »Gesundheit«, »Kultur«, »Sport und Tourismus« und »Ausbildung und Unterrichtswesen«, so ergibt sich folgendes, bezeichnendes Bild:
Rund 28,5% ihres Haushaltes »verbraucht« die hiesige Gemeinschaft für den »Staatsapparat«, also für Aufrechterhaltung von Legislative, Exekutive und Verwaltung.
Entsprechend wenig verbleibt für die privatrechtlichen oder halbstaatlichen Initiativen und Aktivitäten, für die bei uns nur noch etwas mehr als 70% der Gelder zur Verfügung stehen, gegen immerhin doch rund 92% in der Französischen Gemeinschaft.
Das Wegfallen dieses großen Stückes des »Kuchens« geht offensichtlich zu Lasten des Bereichs »Soziales« der im hiesigen Haushalt nur geringfügig berücksichtigt wird.
Eine solche Analyse allerdings ist allzu voreilig und erfordert ein weiteres »Einsteigen« in Unterbereiche.
So fällt unmittelbar auf, daß der Anteil »Kultur« im Haushalt der Deutschsprachigen Gemeinschaft durch den Anteil des BRF (inkl. der
Kosten für das experimentelle Fernsehen) mit mehr als 64% belastet ist, wogegen die RTBF (Radio und Fernsehen) »nur« mit 57% im Bereich Kultur zu Buche schlägt.
Und auch der Bereich »Ausbildung und Unterrichtswesen«, in dem in beiden Haushalten das Ausbildungssystem des Landesamtes für Arbeitsbeschaffung, sowie das des Mittelstandes erheblich zu Buche schlagen, ist in beiden Gemeinschaften völlig anders »gewichtet«.
Eine Auflistung der zehn finanzintensivsten Einrichtungen in beiden Gemeinschaften läßt solche Interpretationen zweifellos zu.
Die Hitparaden der Größten
Die Hitparade der zehn größten Institutionen in der Französischen Gemeinschaft wird angeführt durch die RTBF, deren Haushalt allerdings »nur« 14,2% des Haushalts der Laufenden Ausgaben ihrer Gemeinschaft ausmacht, während der BRF (ohne ausgedehnten Fernsehservice) mit seinen 18% nun wirklich einsame Spitze ist!
Eine Besonderheit ganz eigener Art - die hier anzuführen sich lohnt - ergab sich beim Durchforsten der einzelnen Posten. In einem »Abschnitt 99 - Verschiedenes« schlägt die Exekutive der deutschsprachigen Gemeinschaft eine »Rücklage zur Deckung der Ausgaben, die durch die Steigerung des Preisindexes entstehen«, in Höhe von 27,7 Millionen Franken an, was immerhin rund 5% des Haushaltsvolumens der Laufenden Ausgaben der Gemeinschaft ausmachen. Dabei handelt es sich um Rücklagen für unvorhersehbare Steigerungen der Gehälter der Beamten und Angestellten des »Apparates«, so wie er oben angeführt wurde. Bei der Suche nach dem frankophonen Äquivalent waren wir auf die Hilfe hoher Verwaltungsbeamte der Französischen Verwaltung angewiesen. Wir wurden fündig!
Ganze 90 Millionen, das sind 0,3% des Haushaltes sehen die Kollegen jenseits der Sprachengrenze vor. »Es muß sich also in der Deutschsprachigen Gemeinschaft um eine Art schwarze Kasse handeln«, meinte schmunzelnd unser frankophoner Ansprechpartner, als wir ihm klar machen konnten, daß hier auch noch Reserven aus vorangegangenen Jahren nicht beansprucht worden waren.
Superminister Grosch?
Ein Letztes interessierte uns noch. Wir wollten wissen, über wieviel Geld ein Minister eigentlich »verfügen« kann. Tatsächlich, so unsere wallonischen Gesprächspartner, muß man davon ausgehen, daß ein Minister durch präzise Zuordnung der Gelder, an seit Jahren bestehende Institutionen (wie halbstaatliche Einrichtungen usw...) oder durch die Zweckbindung der Ausgaben an Dekrete und Verordnungen, die ihm eigentlich nur wenig Spielraum lassen, in Wirklichkeit nur wenig Geld zur Verfügung hat, um »seine« Politik zu machen. Man könnte davon ausgehen, so die Fachleute der Verwaltung der französischen Gemeinschaft, daß auf 100 BF Ausgaben der Spielraum des Ministers bei 8 BF liege.
Dies wird in einem Haushalt sichtbar durch die Summen, die auf sog. »12er-Posten« veranschlagt sind. Für die so festgelegten Gelder, gibt es keine Kriterien, außer die, die der jeweilige Minister festlegt, und ist also auch keine politische Rechtfertigung nötig. Gelder auf 12er-Posten, dienen in der Regel dazu, etwas »im Auftrag der Exekutive« durchzuführen.
Untersucht man nun die Summen in den oben genannten Tätigkeitsbereichen - ohne die Gelder, die für den »Apparat« nötig sind, und die in den Befugnisbereich des Vorsitzenden der Exekutive, Herrn Minister Maraite fallen - so ergibt sich folgendes:
Minister Maraite verfügt (darüber hinaus) über 55,3 Millionen Franken im Bereich der Laufenden Ausgaben (11,8% der für Institutionen und Vereine auszugebenden Summen).
Minister Fagnoul verfügt über 236,8 Millionen Franken (50,5%, wobei aber der BRF alleine 104,5 Millionen Franken ausmacht).
Minister Grosch verfügt über 173,4 Millionen Franken (37%)
-3,7 Millionen Franken sind kollegial durch mehrere Minister zu verteilen.
Anders ausgedrückt: Minister Maraite hat, sieht man einmal davon ab, daß er das große Stück des Kuchens, das wir hier den »Staatsapparat« genannt haben, verwaltet, kaum Spielräume, Minister Fagnoul kann immerhin auf 100 BF über rund 13 BF »willkürlich« verfügen, während bei Minister Grosch mit rund 20 BF dieser Spielraum am größten ist.
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