Grenzgeschichte DG - Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

 

 

Die CEPIC Ideologie 

Der Zaungast veröffentlichte in seiner letzten Ausgabe unter dem Titel »CEPIC oder die neue Mittelschicht«, ein Interview mit M. BETSCH, dem hiesigen Begründer dieses »rechten« Flügels der CSP, das er in der vorliegenden Ausgabe zu seinem Ende führt.

In unserer Redaktion liefen dazu eine Reihe von Reaktionen ein, von der schriftlich kundgetanen Auseinandersetzung mit dem geäußerten Inhalt bis hin zu jenen negativen Kritikern die es "unmöglich" finden, wenn einem "rechten" Politiker so viel Platz eingeräumt wird. Der Zaungast allerdings hat ganz bewusst gerade Herrn BETSCH um ein Interview gebeten: die Gründung eines "rechten" Flügels innerhalb der hiesigen CSP ist eine Sache mit der man einverstanden sein kann oder nicht, in jedem Falle allerdings ist sie ein neues und gewichtiges Phänomen für die hiesige politische Szene, und Grund genug u.E. sich etwas tiefgehender - aber im Respekt der Person und der Sache - damit auseinanderzusetzen.

Als "schreibende"
Arbeitnehmer tun wir darüber hinaus lediglich einen Schritt hin zu dem Kernsatz der strategischen Forschung, der da heißt: "das effiziente Angehen oder Abstreiten einer jeden Sache oder eines Gegners verlangt vorweg die genaue Kenntnis dieser Sache oder des Gegners". Ausgehend von dieser Überlegung scheint es uns müßig eingehend die einzelnen inhaltlichen Aussagen zu analysieren, zu widerlegen oder zu nuancieren. Wir überlassen dieses gerne den mündigen Lesern unserer Veröffentlichung.
Interessanter allerdings scheint u
ns eine Reaktion auf die CEPIC-Ideologie als solche, als globale Aussage. Sie spiegelt sich wieder in der lapidaren Aussage von M. BETSCH: "Das ist das Phänomen momentan, das Klima in Unternehmens- und Mittelstandskreisen. Wir haben nicht nur eine Wirtschaftskrise sondern auch eine psychologische Krise. Die ist schlimm und böse. Und die wird erzeugt von solchen (gewerkschaftlichen A.d.R.) Forderungen".

Die Gewerkschaften also sind alles Schuld - die bekannte vordergründige Anklage, erhoben (und das ist weitaus subtiler) von Unternehmens- und Mittelstandskreisen als die Leidtragenden. Da haben wir ihn also, den Kern der "Neuen Mittelschicht", bedroht vom bösen linken Flügel hinterm Gewerkschaftsbanner.

1. Unternehmen wir einen Ausflug in die Geschichte...
Der Ursprung der jetzigen Wirtschaftskrise ist nicht erst in den späten 60ger Jahren anzusetzen, sondern liegt begründet in dem neuen Wirtschafts- und Sozialsystem, das nach Ende des Zweiten Weltkriegs eingerichtet worden war. Tatsächlich war allen, vor allem aber dem Großkapital und der Finanzbourgeoisie die große Währungskrise der 30ger Jahre noch bewusst. Insbesondere waren Arbeitslosigkeit und soziale Ungerechtigkeit so groß gewesen, dass sie für jeden Staat, und für das kapitalistische System insgesamt zu einer Gefahr geworden waren, die es galt zu bannen. Nie wieder durfte es soweit kommen. Man erdachte ein neues Wirtschaftssystem, dessen oberster Grundsatz eine hohe Beschäftigungslage war. Von der freien Marktwirtschaft kam man zur sozialen Marktwirtschaft, indem man dem Staat eine zunehmend regulierende Funktion zugedachte.

Diese neue Wirtschaftspolitik (Fachleute kennen sie unter dem Namen KEYN'sche Wirtschaftspolitik, benannt nach ihrem "Begründer" dem Briten John MAYNARD KEYNES) bestand u.a. darin dem Staat eine regulierende Funktion jedesmal dann einzuräumen, wenn ein wirtschaftliches Tief anstand, in den sog. konjunkturschwachen Perioden also. Das Kapital sollte keinen Rückschlag mehr erleben; was man brauchte war ständiges Wachstum und das konnte erreicht werden durch die regelmäßige Intervention des Staates in die Volkswirtschaft durch, einerseits Staatsaufträge in "konjunkturschwachen Zeiten", anderseits durch ein Sozialleistungswesen das die Kaufkraft erhalten half, und die Löhne ständig generell erhöhte (u.a. durch Bindung der Löhne an den Index).

Was also das Unternehmertum heute verteufelt, hat es selber gewollt und Planwirtschaft in diesem Sinne war ihm durchaus genehm!

Auf sehr geschickte Art und Weise hat das Unternehmertum diese Tatsache vergessen lassen, und es ist ihm gelungen die Schuld auf die Arbeiterschaft abzuwälzen. Und während es noch zetert und hadert ob der "psychologischen Krise" hat es sich längst anderweitig die Grundlagen eines
erneuten Profits zurechtgelegt: so hat sich in Belgien beispielsweise das Aktienpaket der "Société Générale de Belgique" von 63% Anteile am Stahlsektor und Nichteisenindustrie 1950, auf 26% 1976 reduziert.

Hingegen besitzt die "Société Générale" 1976 53% der Anteile im Profit abwerfenden belgischen Finanz-, Banken-, Versicherungs-, und Energiesektor, statt 18% hierselbst 1950. Der nicht mehr rentable Metallsektor also wird abgestoßen, und der Staat ist gezwungen durch Übernahme eines Großteils der Anteile die sozialen Folgen abzufangen.

2. Und das zweite Element der CEPIC-Ideologie...
Auf ähnlich geschickte Art und Weise wird hier eine Front aufgebaut von Mittelständlern, Kleinen und Mittleren Unternehmen - gemeinsam mit der großen Finanzbourgeoisie werden hier Kräfte künstlich vereint, die nichts miteinander gemein haben. Im Gegenteil!

Als 1979 die Rede war vom Bankrott des belgischen Sozialversicherungswesens und von dessen Überholung und Revision (wir erinnern uns an den Ärztestreik als Reaktion auf das sog. "Programmgesetz" der Regierung) machte ein Parteikollege des Herrn BETSCH, Minister A. CALIFICE, der sich allerdings dem "linken" Arbeitnehmerflügel der CSP zuordnet, einen interessanten Vorschlag (darin unterstützt von der gesamten Arbeiterbewegung):

Optik: die kleinen und mittleren Unternehmen, zumeist ziemlich arbeitsintensiv (d.h. sie beschäftigen viele Personen) sind unterstützungswürdig- und bedürftig. Sie sollten u.a. nicht mehr durch übertriebene Sozialabgaben erstickt werden.

Vorschlag: Alle Unternehmen mit großer Gewinnspanne, aber mit wenig beschäftigtem Personal (Beispiele: Chemie, Elektrizitätsunternehmen, usw...) sollten höhere Sozialabgaben zu leisten haben, als Unternehmen mit geringeren Gewinnspannen, die aber arbeitsintensiv sind (Beispiele: die kleinen und mittleren Unternehmen, Unternehmen im Textilsektor, usw...)

Resultat: starke Opposition des Arbeitgeber-Verbandes im allgemeinen, des CEPIC-Flügels im speziellen.

Der Vorschlag verschwand in den berühmten "Schubladen" der Bürokratie.
Ein hervorragender Beweis allerdings der Tatsache, dass der Arbeitgeberverband keineswe
gs einheitlich strukturiert ist und dass innerhalb dieses Verbandes die "Grossen" tonangebend sind. Welch ein Hohn die Mittelständler, die kleinen und mittleren Unternehmen ansprechen zu wollen, sie vorne weg auf den Barrikaden der Sozialkonflikte bluten zu lassen, derweil man selber groß erntet.
Dennoch hat es der Unternehmerverband, von denen bedeutende Vertreter sich bei Liberalen und CEPIC wieder finden immer verstanden die Schuld abzuwälzen auf die organisierte
Arbeitnehmerschaft, und dabei den Mittelstand und die Kleinen und Mittleren Unternehmensinhaber als Schlachtvieh und Bollwerk hinter sich herzuziehen.

 

 

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Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im pädagogischen Beirat des „Jüdischen Museums der Deportation und des Widerstandes in Mechelen“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Verwaltungsrat der Gedenkstätte Breendonk



 

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