Grenzgeschichte DG - Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

 

 

Welche Autonomie für Ostbelgien? 

Unser Interview

Karl-Heinz Lambertz, 1952 in Schoppen geboren, studierte Rechtswissenschaften an der Kath. Universität Löwen und in Heidelberg.
Seit 1974 Mitglied der Sozialistischen Partei in dessen Regionalrat er z.Zt. vertreten ist. Seit 1970 als Vertreter der Studentenorganisation Eumavia im Rat der deutschsprachigen Jugend, dessen Präsident er von 1975 bis 1979 war. Z.Zt. ist Herr Lambertz
halbzeitig Assistent an der Uni Löwen, und halbzeitig Sonderbeauftragter im flämischen Kabinett für institutionelle Reformen (Minister Calewaert). Ferner Mitglied des Übersetzungsausschusses des RdK und Berater der Wallonischen Regionalen Entwicklungsgesellschaft (SDRW).


Herr Lambertz, können Sie uns kurz erzählen wie der "21er Ausschuss" arbeitet?

L: Der Ausschuss hat im September '79 seine Arbeit aufgenommen. Man hat beschlossen sich auf große Problemkreise zu einigen und zwar auf folgende vier:

1.
Alle Probleme die mit Brüssel zusammenhängen;
2. Fragen, die mit dem Statut der Gemeinden zusammenhängen, welche sprachliche Fazilitäten oder sprachliche Erleichterungen wenn man so will haben. Darunter fällt unter anderem auch das ganze Gebiet deutscher Sprache;
3. Die deutsche Gemeinschaft als sol
che. Das war für mich das erste große zu erreichende Ziel. Es geht sich hier um das Statut der deutschen Gemeinschaft im Belgien von morgen, unabhängig von der Anwendung des Sprachengesetzes;
4. Alles andere, was bei den Diskussionen über Gemeinscha
ftsfragen so auftritt (Amnestie, Verbot der Privatmilizen, Auftritt des einen oder anderen in den Voeren, usw…)

Um jede Gemeinschaft zu berücksichtigen, wurde beschlossen, jede Woche abwechselnd über das erste, zweite und dritte Thema zu diskutieren. Auch dies war wiederum für die deutsche Gemeinschaft sehr wichtig, weil es leider sehr oft so ist, dass man uns sehr interessant und lieb findet, die Fragen aber dann anpackt, wenn alles andere gelöst oder schief gelaufen ist. Dies ist hier einigermaßen verhindert worden. Diese Reihenfolge wird natürlich einigermaßen flexibel angewandt und man kann beschließen, in der nächsten Woche nochmal das gleiche Thema zu behandeln. Aber das Prinzip besteht…

Herr Lambertz spricht nun einzelne Themengebiete an…

Dies ist auch geschehen für das, was man die Gemeinden der Sprachgrenzen nennt. Das ist eine etwas komplizierte Terminologie. Wir haben also insgesamt die Gemeinden mit besonderem Sprachstatut. Aber da unterscheidet man wieder zwischen den Randgemeinden in Brüssel, den Gemeinden der Sprachengrenze u.a. Voeren einerseits und Mouscron-Comines andererseits, den Malmedyer Gemeinden, dem Gebiet deutscher Sprache insgesamt und Welkenraedt und Umgebung. Hier muss man sehen, ob dieses System gut ist oder geändert werden muss, oder eben nur Korrekturen angebracht werden müssen. Es besteht nämlich eine Tendenz zu sagen, man muss diese sprachlichen Erleichterungen mit und mit abschaffen, um zu homogenen Sprachsituationen zu kommen. Das ist natürlich, auf unser Gebiet angewandt, mit einigen Problemen verbunden. Es ist in dieser Frage eine weitere wichtige Initiative gestartet worden, um eben zu sehen, wie sich die Situation in diesen Gemeinden darstellt: man hat zehn verschiedene Verwaltungsakten genommen (Anträge für Personalausweis, Führerschein, Genehmigungen...). Das ist eine problematische Lage, was unsere Gegend und die Malmedyer- und Weismesergegend angeht, weil es ziemlich deutlich ist, dass die Deutschsprachigen in Malmedy und Weismes sehr selten von ihrem Recht Gebrauch machen und alles direkt in Französisch beantragen. Das kann jetzt von politischer Brisanz werden.

Das wird wahrscheinlich zu einer Radikalisierung der Lage führen, denn die Frankophonen werden wahrscheinlich -
so könnte ich mir vorstellen- verlangen, dass die Spracherleichterungen in Malmedy und Weismes abgeschafft werden. Das wird dann zweifelsohne zur Konsequenz haben, dass man dasselbe tut im Gebiet deutscher Sprache.

Ich persönlich bin darüber nicht sehr glücklich, weil ich glaube, dass man mit dem System der sprachlichen Erleichterungen nicht so schlecht gefahren ist, wenn auch einige Anpassungen notwendig gewesen wären, z.B. diesen Unfug der zweisprachigen Ortschilder und so was aus der Welt zu schaffen…

Wir haben auch mehrmals über das Gebiet deutscher Sprache diskutiert, und zwar bisher zweimal. Zuerst habe ich einen Bericht verfasst, in dem ich versucht habe darzulegen wie, im Hinblick, auf eine definitive Staatsreform, man sich die Lösungen für das Gebiet deutscher Sprache vorstellen könnte. Danach hat eine erste Diskussion über diesen Bericht stattgefunden, die aber nicht sehr ausführlich war

Dieser Bericht, den Sie verfasst und dem Ausschuss unterbreitet haben,
wurde seiner Zeit positiv in der Tagespresse erwähnt. Über den Inhalt jedoch war nicht viel zu finden. Können Sie uns diesen Inhalt etwas näher erläutern?

Ich komme da auf sechs Problemkreise, die eng zusammenhängen und die auch in einer gewissen Hierarchie zu sehen sind. Bevor ich aber zu diesen Themenkomplexen näheres sagte, schien es mir auch wichtig mal drei grundsätzliche Bemerkungen zu machen, die meiner Meinung nach das ist eine ziemlich private Auffassung davon, aber ich glaube, dass die auch von einer Reihe Leute geteilt wird - grundsätzliche Aspekte sind, die man berücksichtigen muss, will man die Probleme unserer Gegend verstehen:

1. Die geschichtliche Situation. Man kann nicht über Ostbelgien reden, ohne damit Rechnung zu tragen, daß wir ein Gebiet sind, das nicht von Beginn an zum belgischen Staat gehört hat; man kann nicht über Ostbelgien reden, ohne der ganzen Problematik des 2. Weltkrieges und der Nachkriegszeit Rechnung zu tragen; man kann auch nicht über Ostbelgien reden ohne dem Verhältnis, in den letzten 5O Jahren, zwischen den deutschsprachigen Bürgern des Landes und den anderen Rechnung zu tragen und sich im Detail anzusehen, was dort alles geschehen ist…

2. und 3. Diese beiden Punkte hängen eng zusammen und beziehen sich mehr auf das Verständnis der ganzen Problematik. Ich glaube, dass die Situation unserer Gegend erstens mal eine spezifische ist, folglich auch spezifische Lösungen erfordert, das ist die dritte grundsätzliche Bemerkung. Gleichzeitig ist es aber für unsere Gegend nicht gut sich Lösungen einfallen zu lassen, die nicht dem globalen belgischen Kontext Rechnung tragen. Das war meine zweite grundsätzliche Bemerkung…

Das waren also die grundsätzlichen Erwägungen. Jetzt könnte man mal kurz die sechs oben erwähnten Themen ansprechen.

Das erste
große Problem, von dem auch praktisch der Inhalt der anderen abhängt, ist das Problem der konkreten Ausgestaltung der Autonomie. Das ist der eigentliche Kern der gesamten Frage: was kann man für unsere Gemeinschaft als ideale Lösung im Bereich der ihr zu übertragenden eigenständigen Aufgaben betrachten?
An diesem Beispiel kann man natürlich die ganzen grundsätzlichen Erwägungen aufzählen, illustrieren. Man kann aber auch sagen, in dem Moment, wo man dieses Problem gelöst hat, man eine ganze R
eihe anderer Probleme implizit mit gelöst hat. Dieses Problem der Autonomie ist auch wiederum ein Dreifaches:

1. Das Ausmaß dieser Autonomie oder anders gesagt: in welchen Angelegenheiten sollen spezifische Organe der deutschen Gemeinschaft selbst entscheiden können?

2. Welche Organe müssen dieser Gemeinschaft gegeben werden, wenn sie gut funktionieren soll? Das ist die Frage des direkt gewählten RdK, die Frage der eigenen Exekutive, der zu schaffenden Verwaltungen, usw…

3. Welche Mittel? Das ist von ganz wesentlicher Bedeutung, weil hier nämlich die Frage direkt aufkommt: was nützt es in allen möglichen Sachen zuständig zu sein, wenn man nicht das Geld hat, um es zu machen? Da spielt vor allem die Tatsache eine große Rolle, dass man zwar gerade bei einer so kleinen Gegend wie die unsere mit so wenig Leuten, sehr vieles nicht zu machen braucht, was anderswo geschieht, aber dass man trotzdem die verschiedenen Aufgaben die anstehen bewältigen muss.

Ob ich nun eine Rundfunkanstalt mache für 60.000 oder für 300.000 das ist genau dasselbe: es muss gemacht werden. Trotz aller Beschränkung, die man sich auch auferlegen kann, gerade was Verwaltungsapparat, Bürokratie und dergleichen angeht, muss man da ein Minimum haben und dieses Minimum steht in keinem Verhältnis zur Zahl und zur Fläche. Das ist der Preis der Autonomie…

Der eigentliche schwere Problemkreis ist der erste: in welchen Angelegenheiten soll die deutsche Gemeinschaft autonom zuständig sein? Doch da ergibt sich aus der Abhängigkeit vom Gesamtmodell schon eine erste Schlussfolgerung. Wenn man sagt: in Belgien sind die Gemeinschaften für die, und die, und die Angelegenheiten zuständig, dann muss es klar sein, dass man auch diese Angelegenheit im Prinzip, der deutschen Gemeinschaft ebenfalls überträgt. Das ist vor allem eine Sache der personengebundenen Materien, das geht auch hinein in den Bereich der internationalen Beziehungen, der beruflichen Weiterbildung, des Gesundheitswesens, der vorschulischen Ausbildung usw

Die Frage die man jetzt daran anschließen muss ist: ist dieses Ausmaß an Zuständigkeit optimal für die Lösung der Bedürfnisse und der besonderen Probleme, die sich in unserer Gegend stellen? Da kann man ohne auch nur eine Sekunde zu zweifeln nein sagen, aus dem prinzipiellen Grund, weil, wie ich eben schon gesagt habe, die Definition dessen, was uns übertragen wird, von Erwägungen abhängt, die überhaupt nichts mit unseren Problemen zu tun haben. Aber wir müssen andererseits sagen: wenn man sagt die Gemeinschaften bekommen das, dann wollen wir das auch, ohne überhaupt zu schauen, was überhaupt drin steht. Aber dann kommt der nächste Schritt, und da wird das Problem wirklich brisant, nämlich folgender: es gibt unabhängig von dem was man uns übertragen wird, eine Reihe Sachen, wo es sich als sehr ratsam erweisen würde, dass man da autonom zuständig sein könnte! Das sind Angelegenheiten, die sind national geblieben oder den Regionen übertragen worden. Jetzt stellt sich die Frage: wie kann daraus, das was man diese "Autonomie à la carte" nennt, werden?

Herr Lambertz spricht nun hier juristische und politische Probleme an, sowie das psychologische Problem im Verhältnis zu den beiden anderen Gemeinschaften.

Jetzt kann man sich hier natürlich die tollsten technischen Lösungen einfallen lassen. Es gibt da unzählige Möglichkeiten. Aber auch da ist sich zuerst einmal über die grundsätzliche Idee klar zu werden.
Da kann ich an sich momentan nur meine ganz persönliche Ansicht zu geben:
Die Frage wieweit man in der Autonomie geht, ist eine Frage, die man nicht nur aus sozusagen volkstums-romantischen Gefühlen heraus beschließen kann. Man kann natürlich sagen: die Wallonen sind per Definition schlechte Menschen, mit denen wollen wir nichts zu tun haben. Das ist eine Art und Weise, das Problem anzufassen. Aber das ist, glaube ich, nicht die korrekte. Und ich bin überzeugt, die Art und Weise wie es die große Mehrheit unserer Bevölkerung tut. Wir müssen uns - jedes Mal, wenn wir uns fragen, wollen wir diese Sache autonom machen oder nicht - auch die Frage stellen, was kommt dabei heraus…

Nehmen wir ein Beispiel: die öffentliche Wirtschaftsinitiative (initiative économique publique). Wenn ich mir diese Kompetenz mal vornehme, dann ist es klar, dass es sich um eine Kompetenz handelt, die noch vor 5O Jahren undenkbar gewesen wäre, in einem demokratischen-liberalen Staat wie der unsere damals, die aber jetzt gerade, als Mittel zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, von immer größerer Bedeutung wird; eben zu sagen, wenn die private Industrie nicht in der Lage ist neue Unternehmen zu schaffen, dann muss es eben mit öffentlichen Geldern geschehen. Wenn
ich also diese Kompetenz wirklich wahrnehmen will, dann muss ich
natürlich die Instrumente haben. Ich muss z.B. über so etwas verfügen, wie eine regionale Investitionsgesellschaft. Das wiederum heißt, ein Minimum an Mitarbeiterstab, d.h. Experten, d.h. vor allem - und darum geht es dann - die Möglichkeit massiv, punktuell Gelder einzusetzen.
Wenn ich aber nur 2OO Millionen habe im Jahr, kann ich das nicht. Wenn ich 1O Milliarden habe, kann ich dreimal in diesem Jahr in Ostbelgien etwas machen, und dann 1O Jahre nichts mehr. Das sind die Flexibilitäten die man haben muss. Wenn ich das hier jetzt auf Ostbelgien anwende, dann kann dabei nur die Situation herauskommen, das wir zwar zuständig sind für diesen Bereich, aber nichts tun können, einfach aus der Tatsache, dass wir diese Kompetenz in einer kleinen Gegend, mit begrenzten Mitteln wahrnehmen müssten. Denn wir können nicht darauf hoffen, dass man uns soviel gibt wie den Wallonen und den Flamen. Das kann man sich zwar wünschen, ist aber sehr unrealistisch.
Wenn ich das also dennoch in unserer Gegend ganz autonom machen will,
heißt das ganz einfach folgendes: es wird in den nächsten Generationen, in unserer Gegend, keine Industriebetriebe geben, die von der öffentlichen Hand organisiert werden.

Das kann ich jetzt wünschen.
Das ist eine ganz andere Sache. Ich kann z.B. sagen: die öffentliche Wirtschaftsinitiative ist die Pest der Menschheit, ich bin für das freie Unternehmertum und damit hat sich die Sache. Dann ist es natürlich ideal zu sagen: gut, übertragen wir die Kompetenzen an den RdK, weil wir genau wissen, dass er, aus objektiven Gründen, es nie machen kann. Aber dann ist diese Sache auch keine Frage mehr, ob ich deutschsprachiger bin oder sonst Vertreter, dann ist dies eine gesellschaftspolitische Frage.
Meiner Meinung nach, muss man diese Debatte, auf dieser Ebene jetzt für alle Sachen führen, di
e man jetzt dem RdK überträgt…

Der zweite Punkt wäre die Frage der Vertretung. Das ist ein relativ einfacher Problemkreis. Ich habe jetzt festgelegt, wo wir autonom sind. Das ist also geregelt. Überall anders, wo entschieden wird, z.B. die nationale Ebene oder die Region, da muss natürlich gewährleistet sein, dass wir uns dort artikulieren können. Es ist wichtig, dass die deutsche Gemeinschaft, überall wo sie mitbetroffen ist, auch anwesend ist.

Das dritte Problem ist das der Dezentralisierung der Verwaltungsstruktur, des Gerichtswesens usw…, damit für jede Entscheidung, die über uns, irgendwo anders entschieden wird, die Spezifit unserer Situation berücksichtigt wird…

... Die vierte Angelegenheit ist die Tatsache, dass unsere Gemeinschaft als integraler Bestandteil des belgischen Staates anerkannt wird. D.h. vor allem, dass wir überall dort wo man Einrichtungen schafft, die auf Gemeinschaftsebene verwaltet werden, die irgendwie die nationale Einheit versinnbildlichen, dass wir da mit daran beteiligt werden. Dasselbe gilt auch andersrum. Es gibt Sachen bei uns, meiner Meinung nach, die man als einen Beitrag der deutschen Gemeinschaft, zum gemeinsamen nationalen Kulturerbe betrachten kann. Das muss optimal ausgenutzt werden. Ein Beispiel; mir scheint es absolut notwendig, dass man die Sendungen des BRF in ganz Belgien hören kann.

Das fünfte Problem ist das, des Sprachengebrauchs, d.h. einerseits, was geschieht mit den Deutschsprachigen innerhalb des Gebietes deutscher Sprache, d.h. andererseits was geschieht mit den Französischsprachigen innerhalb unseres Gebietes?

Das letzte Problem das man anführen muss, weil es auch spezifisch für unsere Gegend ist: wir können zwar soviel fordern wie es irgendwie geht und auch optimale Lösungen finden, aber eines ist klar, wir werden nie hundertprozentig mit den anderen Gemeinschaften, auf allen Gebieten mithalten können. Wir müssen aufpassen, dass die Autonomie nicht zu einem Bumerang wird, der letztlich auf unsere Bevölkerung sehr negative Auswirkungen hat. Gute Beispiele wären hier der öffentliche Dienst, der Privatsektor zum Teil, die Ausbildung und die Fragen der Diplomanerkennung, usw… Dies sind spezifische Probleme, die man nicht mit der Autonomie lösen kann. Wo im Gegenteil eine ganz sture Autonomie uns in Sackgassen führen kann...

Sie haben, bei unserem Gespräch jetzt, des Öfteren gesagt: meiner Meinung nach, das ist meine private Meinung usw. Frage: ist der Bericht den Sie dem Ausschuss vorgelegt haben 1. eine persönliche Meinung, 2. das Resultat einer Beratung oder 3. wäre der Bericht anders ausgefallen, wäre er nicht von einem sozialistischen Politiker verfasst worden?

Das ist im
Einzelnen schwer zu sagen, weil ich ja nicht vermuten kann, was andere Leute gesagt hätten. Man muss da eine Sache klar sehen: im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedern des Ausschusses, die aufgrund ihrer Parteiangehörigkeit dort tagen, ist es bei der deutschen Gemeinschaft so, dass dort nur ein Vertreter sitzt. Das ist eher ein "Handicap" als ein Vorteil, weil da notwendigerweise Standpunkte vertreten werden müssen, die die Meinung des Gebietes deutscher Sprache widerspiegeln. Das versuche ich zu tun...

Herr Lambertz, Sie waren auch eine Zeitlang Präsident des Rates der deutschsprachigen Jugend. Können Sie uns darüber auch etwas sagen?

Der Jugendrat (RdJ) ist, auf einer ganz kleinen Ebene, in einem engen Problemkreis ein ziemlich charakteristisches Beispiel für die ganze Praktik der Autonomie.

Wie meinen Sie das?

Die Möglichkeiten, vor allem daran, dass man, durch ein autonomes Gremium in unserer Gegend tun kann, u.a. im Aufholbereich. Man wird, bei den Veranstaltungen anlässlich des Wechsels Bilanz ziehen können und dem möchte ich hier natürlich nicht vorgreifen. Die Grenzen, weil die Aufgaben, die ein autonomer Jugendrat zu erfüllen hat, kann er nur erfüllen, wenn er auf die nötige Mitarbeit zurückgreifen kann. Hier liegt das Hauptproblem für unsere Gegend, weil der Jugendrat, im Gegensatz zu den Jugendräten der anderen Gegenden, sich nicht aus hauptamtlichen sondern freiwilligen Helfern zusammensetzt, die schon in der eigenen Organisation den größten Teil ihrer Freizeit lassen.
Wenn dann ein relativ kleiner Kreis von Leuten, wie etwa ein Präsidium, versucht doch intensive Arbeit zu machen, indem es sich einen gewissen Mitarbeiterstab von hauptamtlichen Leuten aufbaut, läuft man sehr schnell die Gefahr, dass es zwischen diesen Leuten, die tagtäglich die Arbeit ein
bisschen intensiv machen und den anderen ein ziemlich großer Graben entsteht. Das ist ein charakteristisches Phänomen, so glaube ich, für alles was in Ostbelgien in der Autonomie gemacht werden wird.

Sie haben eben sehr stark die Probleme, ja die Grenzen der Arbeit im Jugendrat angesprochen. Welche Lösungen sehen Sie denn da?

Da sehe ich drei Aspekte. Zuerst muss inhaltlich anders gearbeitet werden, mehr themenbezogen...

...
Das zweite ist eine Aufgabe der Entscheidungen. Wir werden eine Exekutive bekommen, die Entscheidungen auch auf Ebene der Jugendpolitik treffen wird und hier hat der Jugendrat, wie alle anderen beratenden Gremien eine sehr wichtige Rolle zu spielen.

Und der dritte Aspekt bezieht sich auf eine Umorientierung im Bereich Dienstleistungsbetriebe. Ich glaube der Jugendrat wird immer mehr dazu übergehen müssen neue Dienstleistungen hervorzurufen, aber dann schnellstens dafür zu sorgen, dass sie autonom werden, denn der Jugendrat kann nicht alles selbst machen, was er glaubt, dass gemacht werden muss.

Sie sprachen eben von anderen Beratungsgremien. Sind das auch Räte und werden die geschaffen werden müssen?

Ich denke jetzt ganz speziell an den Erwachsenenbildungsrat, von dem ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass er so schnell wie möglich offizialisiert wird...

...
Wenn wir mithalten wollen und auch verhindern wollen, dass da drei Leute in der Exekutive die ganze Politik machen und den RdK an dem ganzen Rest etwas herumteilen lassen, um dann zur Tagesordnung überzugehen, dann müssen wir konsultative Gremien schaffen, wo alle Betroffenen an der Ausarbeitung mit beteiligt werden. Aber das führt sehr schnell zu der Gefahr, die man manchmal mit einem ironischen Unterton die "Räterepublik" nennt.
Auf unsere kleine Gegend bezogen kann das eine beängstigende Anzahl an Institutionen
geben: Erwachsenenbildung, Jugend, Bibliotheken, Sport, Gesundheitswesen, Planungskommission für die Spitäler, berufliche Weiterbildung, usw... Auch hier werden wir originelle Lösungen finden müssen. Wenn wir z.B. den wirtschaftlichen Bereich ansprechen. Es ist für mich undenkbar, dass wir wirtschaftliche Kompetenzen schaffen, ohne dass die Sozialpartner vor der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Ich glaube, dass es nicht denkbar ist, dass wir Wirtschaftskompetenzen hier bei uns einführen, aber eben, weil es uns zu teuer würde, nicht bereit sind, die nötigen konsultativen Gremien, wie z.B. irgend etwas auf der Ebene eines Wirtschaftsrates oder dergleichen einzurichten. Denn das würde dann heißen, dass gerade das, was es an fortschrittlichem geben könnte, von vorneherein unmöglich wird. Das ist für mich ganz klar.

Nehmen wir den Vorschlag der PDB, die vorschlägt: alle regionalisierten Materien zum RdK. Darüber kann man überhaupt nur diskutieren, wenn im selben Atemzug gesagt wird - und das wird natürlich jetzt nicht gemacht - dann müssen wir auch einen eigenen regionalen Wirtschaftsrat haben, mit all dem was das heißt...

Wenn aber, in den konsultativen Instanzen nicht auch mehrere Tendenzen zusammen arbeiten, dann laufen wir die Gefahr, dass eben diese konsultativen Gremien, selbst wenn sie geschaffen werden, nichts positives bringen und gar nichts beeinflussen können. Denn wenn sie dann mit Vorschlägen zu den entscheidenden Gremien kommen, die meisten Parteien so reagieren werden, dass sie sagen: Vorsicht! Das können wir nicht annehmen, weil es die Meinung einer Tendenz ist.

Das ist eine Sache, die jede Tendenz sich durch den Kopf gehen lassen muss, wo sie meint aktiv werden zu müssen. Was die sozialistische Seite angeht, ist da ein immenser Nachholbedarf. Mit dem besonderen Problem verbunden, dass es natürlich nicht einfach ist, in einer ländlichen Gegend wie der unseren, eine sozialistische Bewegung aufzubauen.

Wir danken Herrn Lambertz für die Bereitwilligkeit und die Offenheit mit der er all unsere Fragen beantwortet hat. Wir mussten dieses Interview aus Platzgründen leider gekürzt bringen. Dies ist nicht immer einfach gewesen, insbesondere da für eine ähnlich komplexe Materie viele Feinheiten mit in die Überlegungen hineinspielen. Die vorwiegende Zusammensetzung unseres Publikums bewog uns denn auch nur die wesentlichsten inhaltlichen Aussagen festzuhalten um einen ersten Einstieg in das Thema zu verschaffen.

 

 

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EXTERNE AUFTRÄGE


Koordination der „Aktionstage Politische Bildung“


Demokratieerziehung in Brüssel


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft in der „Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im pädagogischen Beirat des „Jüdischen Museums der Deportation und des Widerstandes in Mechelen“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Verwaltungsrat der Gedenkstätte Breendonk



 

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