Grenzgeschichte DG - Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

 

 

In Memoriam Jacques Wynants  

Der untenstehende Nachruf auf Jacques Wynants stammt aus der Feder von Pierrot Lousberg und ist im »Werkvolk« erschienen. Pierrot Lousberg, Mitarbeiter der CSC und Ehemaliger der VHS, kannte Jacques Wynants besonders gut. Jeder Satz verrät es.

Jacques Wynants ist tot!
Am 27. Mai wäre er 74 Jahre alt geworden. Sein plötzliches Ableben ist ein harter Schlag für alle Militanten der CSC und der Christlichen Arbeiterbewegung (CAB) mit denen er stets eng verbunden war.
Seine Welt war die Arbeiterwelt. Jacques Wynants wurde am 27.5.1914 in Dison in einer Arbeiterfamilie geboren. Seine ersten Schritte im beruflichen Leben machte er schon sehr früh in der Vervierser Textilindustrie. Mit 13 Jahren wurde er Mitglied der Christlichen Arbeiterjugend. Später wurde er Regionalvorsitzender und dann Nationalsekretär dieser Bewegung.
Sein Ort war die Vervierser Gegend. Darum kam er am 1. Januar 1938 nach Verviers zurück, wo er die Aufgaben eines CSC-Freigestellten übernahm.
Während dem zweiten Weltkrieg geriet er in deutsche Gefangenschaft. Dort verbrachte er fünf lange und harte Jahre. Aber auch dies ließ Jacques Wynants nicht ungenutzt vorbeigehen. Unter anderem pflegte er dort, durch viel lesen, seine Deutschkenntnisse.
Zurückgekehrt, wurde er Regionalsekretär der Christlichen Metallzentrale im Bezirksverband Verviers. Aus dieser Zeit kennen ihn auch zahlreiche Militanten der deutschsprachigen Gegend. Hier kamen ihm die Deutschkenntnisse zugute. In 1972 übernahm er dann die Stelle des Bezirkssekretärs der CSC-Verviers und der deutschsprachigen Gegend.
Aber dabei beließ er es nicht mit seinem Engagement. Er war auch Regionalpräsident der CAB und Mitglied der Nationalbüros der CSC; er gründete den Wirtschaftsrat der Vervierser Gegend; er war der erste Vorsitzende der Raumordnungskommission der Stadt Verviers; er war sehr oft Redner auf zahlreichen »Wallonischen Sozialwochen«; er war auch Mitglied der Sektorenplankommission.
Selbst nach seiner Pensionierung blieb er im Einsatz und zu Diensten der Schwächsten und Benachteiligten unserer Gesellschaft. Bis zu seinen letzten Tagen setzte er sich großzügig aber auch energisch, für die soziale Wiedereingliederung der Gefangenen ein. Er war Vorsitzender der dafür geschaffenen Kommission. Aber auch hier blieb er der »Arbeit an der Basis« treu und er war ein eifriger Besucher der Gefängnisse und der Gefangenen.
Seine Liebe galt der Geschichte; natürlich der Arbeiter- und Sozialgeschichte. Zahlreiche Veröffentlichungen zeugen von seiner Gelehrtheit, seinem Talent und seiner Liebe für die alte Textilstadt Verviers. U.a. hinterläßt er uns ein wertvolles Buch über die Arbeitsbedingungen in Verviers, vor 1900.
Dabei war Jacques ein Autodidakt, jemand, der sich selbst erlernt hat. Er war, mit seinem Freund und Kollegen Herbert Dewey in Literaturkreisen über Arbeitergeschichte auch als Jean Neuville bekannt der belesenste Mensch, dem ich begegnet bin. Ich höre noch heute was er sagte, als er mich 1974 als Jugendsekretär einstellte: »Pierrot, Du mußt viel lesen, und Dich ständig weiterbilden. Früher brauchte ein guter Gewerkschaftler zwei Sachen: einen Stuhl und ein »großes Maul«; einen Stuhl, um sich drauf zu stellen, damit man von allen gesehen wurde, und ein »großes Maul«, damit man von allen gehört wurde. Heute gehört etwas mehr dazu«.
Überhaupt war Weiterbildung eine andere Priorität von Jacques. Er war es, der auf einer » Wallonischen Sozialwoche« die Idee der ISCO bei uns Volkshochschule der Ostkantone aufwarf. Auch förderte er ständig die Schulung und Weiterbildung bei der CSC. Dabei sparte er nicht mit persönlichem Einsatz. Für eine Schulung über Arbeitergeschichte, über die Rolle der Militanten oder die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz fand der soviel beschäftigte Jacques immer noch etwas Zeit. Wobei das Publikum als Kategorie nicht ausschlaggebend war; er machte das für Hauptdelegierte, wie auch für Jugendliche, ja selbst für junge Gewerkschaftsgruppen in einzelnen Betrieben.
Wenn er über die Arbeitergeschichte sprach, konnte er jede Zuhörerschaft fesseln. Stundenlang konnte man ihm zuhören; auch dem ungeduldigsten Jugendlichen wurde dabei die Zeit nicht lang. Wenn er über die Rolle der Militanten sprach, konnte er begeistern und motivieren; für viele war das der Ausgangspunkt für ein Engagement in der Arbeiterbewegung. Schulung für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz war mit Jacques Wynants nie eine akademische Sache, es war immer eine interessante, fesselnde Angelegenheit, von der sich jeder betroffen fühlte.
Sowieso, von Jacques habe ich gelernt, daß Schulung nichts Langweiliges sein muß, daß man auch ernste und komplizierte Sachen einfach und verständlich vorbringen kann.
Eine bevorzugte Zielgruppe von Jacques Wynants war stets die Jugend. Immer hatte er Zeit für die Jung-CSC und für die CAJ. Ich habe das Glück gehabt, mit ihm bei Schulabgängern vorzusprechen und war jedes Mal erstaunt, wie der »große, alte Mann« diese Jugendlichen, die meistens nichts von der Gewerkschaft und dem Arbeitsleben wußten, in seinen Bann zog.
Ich, wie auch viele andere Kollegen, habe sehr viel von Jacques gelernt. Ich finde es eine Bereicherung und eine Bevorzugung, daß ich das Glück hatte, Jacques zu kennen und mit ihm gearbeitet zu haben. Auch nach seiner Pensionierung blieb er vielen von uns eine Hilfe. Hatte man ein Problem, bei dem man nicht mehr weiterkam, dann konnte man bei Jacques Rat holen. Wußte man über irgendein Thema nicht Bescheid, dann wandte man sich an Jacques und er sagte: »lies mal dieses oder jenes Buch... Warte mal, ich lese Dir etwas daraus vor…und schon war man wieder voll eingenommen und hatte mit Zeit nichts mehr zu tun. Wie oft bin ich zu Jacques gegangen, in der Meinung, ich würde nach zehn Minuten wieder weg sein, und kam erst nach zwei Stunden heraus.
Mit Jacques haben wir einen Kollegen, aber auch einen Freund, Helfer und Berater verloren. Jacques ist von uns gegangen, aber er wird immer in unserer Erinnerung weiterleben. Sein Name wird noch oft auf Versammlungen, in Gesprächen und Unterhaltungen auftauchen.
Der »große, alte Mann hat uns verlassen. Was er uns gelehrt und auf den Weg mitgegeben hat, wird niemals verschwinden, und wir werden versuchen, es unseren Nachfolgern weiterzugeben.
Vielen Dank Jacques und auf Wiedersehen in einer anderen Welt.


 

 

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