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Die Hölle auf Erden für uns Juden
von Sindy Kabasele, 2. AUD, RSI Eupen
Mein Leben und das vieler anderer Juden war nicht einfach.
Alles fing gut an. Wir waren zwar nicht reich, aber wir hatten alles, um
gut zu leben. Ich lebte mit meiner Mutter und meinen zwei älteren Schwestern. Meinen Vater habe ich nicht gekannt.
Meine Schwestern und ich gingen auf dieselbe Schule. Ich mochte die Schule sehr. Mein
Berufsziei : Kinderärztin. Dieser Wunsch
ging leider nicht in Erfüllung. Ich musste die Schule
sehr früh abbrechen, da wir Juden nicht mehr die öffentlichen Schulen besuchen durften. Und so veränderte sich mein Leben schlagartig. Ich lernte sehr
schnell, Verantwortung für mich zu übernehmen. Meine Schwestern zogen sehr früh aus.
In Dortmund war die Hölle los. Ich hörte oft Schreien und Weinen und wusste nicht, was ich
machen sollte. Meine Mutter hielt mir die Ohren zu. Ich wusste, dass die SS
gleich bei uns hereinplatzen würde. Das fühlte ich.
Meine Mutter wollte mich verstecken, aber ich wollte sie nicht alleine
lassen. Die SS-Männer waren so kaltblütig, sie hatten kein Mitgefühl. Einer von ihnen
zog die Waffe und schoss ohne Grund dreimal auf meine Mutter. Ich sah, wie sie mich mit ängstlichen Augen anstarrte, und ich fiel vor Schreck und
Panik in Ohnmacht. Als ich aufwachte, befand ich mich in einem Viehwaggon mit
ungefähr 48 anderen Juden. Es war sehr eng und stickig. Jeder
Jude, der in diesem Zug war, wusste nicht, was ihn erwartete. Wir hatten große Angst. Ich fragte, wo wir hier seien. Eine ältere Frau erklärte mir, dass wir alle in den Tod gehen,
dass unser Leben auf dieser Erde wertlos sei für andere Menschen -
die so genannte Herrenrasse.
Plötzlich hielt der Zug an. Mein Herz raste. Es
drohte aus meiner Brust zu springen. Vier Männer in Uniform öffneten die Waggontüren und zerrten jeden
von uns einzeln heraus. Als war alle draußen waren, teilten sie
uns auf: die Männer nach rechts und die Frauen und Kinder nach
links. Wir mussten uns in eine Reihe aufstellen und bekamen Nummern auf den rechten
Unterarm tätowiert. Mir wurde die Nummer 280 zugeteilt.
Ab jetzt waren wir keine Menschen mehr, wir waren Nummern. Ich konnte mich
nicht daran
gewöhnen, es war sehr hart.
Wir mussten Tag und Nacht schuften, arbeiten ohne Pause, und wer keine
Kraft mehr hatte, wurde von den SS-Männern geschlagen. Die
Tage vergingen. Der Hunger ließ uns alles vergessen,
sogar die Zeit. Aber an jedem Tag loderte auch ein Fünkchen Hoffnung auf, dass jemand uns befreien käme. Sehr häufig wurden entkräftete Frauen aus den Baracken entfernt und
vergast. Wir fragten uns, wer wohl der Nächste sein könnte, und arbeiteten noch mehr, um dem Herrenvolk zu gefallen.
Ich musste oft an meine Mutter und meine Geschwister denken. Das half mir
die qualvollen
Tage, aber auch Nächte durchzustehen.
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