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Tagebuchauszüge von Salamon
Schneider
von John HOFFMANN, 2. AUD, RSI Eupen
28.07.43
Liebes Tagebuch,
als ich heute Morgen aufstand, schien die Sonne und ich war in bester
Laune. Ich duschte mich, putzte mir die Zähne, rasierte mich und
zog mich an.
Heute wollte ich den Plan für das neue Rathaus
beenden. Die Arbeit war gut vorangeschritten und ich war zufrieden. Doch plötzlich klingelte es, der Postbote brachte mir eine
schreckliche Nachricht. Ich soll zum Arbeitslager! Bei Verweigerung würde ich die Konsequenzen tragen, so der Brief. Und das
nur, weil ich
ein Jude bin! Ich war wütend und fand dies
unverschämt. Meine Arbeit wurde immer geschätzt und jetzt muss ich weg. Wenn ich gewusst hätte, wie sehr der Hass gegen die Juden sich steigern würde, hätte ich Deutschland
schon längst verlassen. Am liebsten wäre ich gleich nach Amerika gereist, denn das Deutsche Reich und der Hass
gegen die jüdische Bevölkerung verbreitet
sich in Europa wie eine Epidemie. Da würde eine Flucht in
die Niederlande nicht ausreichen.
Jedenfalls sitze ich jetzt in diesem Zug fest, der zum Lager fährt. Ich hatte, so wie viele andere, nicht die Wahl. Wären wir nicht in diesen Zug eingestiegen, hätten uns
die Nazis erschossen.
Wir haben versucht mit eingeschmuggelten Werkzeugen die Türen des Waggons zu öffnen, doch
vergebens. Wir müssen jegliche Hoffnung auf Flucht aufgeben.
Die Hitze hier ist unerträglich, der Waggon ist
klein und überfüllt. Die meisten müssen stundenlang stehen, da es keinen Platz zum Sitzen
gibt. Sogar Kinder, alte Menschen und schwangere Frauen sind hier eingesperrt.
Viele weinen, auch ich bin den Tränen nahe. Die Kinder
wissen nicht einmal, was mit ihnen geschieht. Es scheint Nacht zu sein. Es
dringt kein Licht mehr durch die Spalten des Waggons. Nun werde ich doch
versuchen zu schlafen.
29.07.43 Liebes Tagebuch,
ich sitze noch immer in diesem Zug fest. Zu essen gibt es nichts. Trinken
müssen wir aus einem Eimer. An Schlafen ist nicht zu denken, alle können sich nicht hinlegen oder gar
hinsetzen. Dazu kommen noch diese unerträgliche Hitze, der Lärm und die Angst, die Angst vor dem Tod.
Viele sind wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse erkrankt,
haben Durchfall
oder Fieber. Ich habe gehört, dass an der
anderen Seite des Waggons zwei Menschen gestorben seien. Ich kann sie nicht
sehen, da hier alle so eng beieinander stehen. Jegliches Zeitgefühl habe schon längst verloren. Ich weiß nur, dass es Tag ist, da ein wenig Licht eindringt. Ich
habe noch nicht schlafen können und bin am Ende
meiner Kräfte. Es spricht sich herum, dass die
Menschen, die in ein Arbeitslager mussten, nie wieder zurückgekommen sind.
Durst, Hunger und Müdigkeit quälen mich.
Nun ist es so weit,
wir sind angekommen...
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