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Die Menschen im Vierländerland und der Große Krieg - Leben und Leiden der Grenzbevölkerung
Die Ausstellung beschäftigt sich, oft auch biographisch, mit Menschen, die vor und während des „Großen
Krieges“ rund um das Vierländereck lebten. Es geht also um Neutrale aus
Moresnet, 1830/31 bei den Niederlanden
verbliebene Südlimburger, Aachener und Eupener , die man 1815 ungefragt zu
Preußen gemacht hatte und die plattdeutsch und französischsprachige belgische Grenzbevölkerung.
Vor 1914 spielte die Grenze in den Köpfen dieser Menschen so
gut wie keine Rolle. Arbeit wurde dort gesucht, wo es was zu arbeiten gab. Oft
gingen die Menschen täglich, teilweise auch über die Woche oder die Saison zum
Arbeiten ins Nachbarland. Auch zum Feiern, Wallfahrten, Heiraten, Wohnen, Kaufen
und nicht zuletzt zum ertragreichen Schmuggeln wurde gerne die Grenze
überschritten. Und oft benutzte man auch
auf allen Seiten der Grenze die gleiche Sprache: das Grenzlandplatt. Unsere Gegend war sozusagen miniglobalisiert.
Der Erste Weltkrieg stellte die einschneidende Zäsur im
deutsch-belgischen und gerade auch im Verhältnis der betroffenen
Grenzbevölkerung dar. Am Morgen des 4.
August 1914 fielen 6 deutsche Brigaden, aus Aachen und der Umgebung von Eupen
und Malmedy kommend, völkerrechtswidrig in das Nachbarland ein. Schon in der
ersten Kriegswoche wurden zwischen Aachen und Lüttich ungefähr 950 Zivilisten
vorsätzlich ermordet und 1300 Häuser abgebrannt. Auch die belgische Grenzbevölkerung kam unter
Sonderrecht, wurde gegängelt und ausgeplündert, hunderttausende von Menschen flohen in die Niederlande, wurden dort interniert
oder versuchten die Front in Flandern zu erreichen. Um diesem Treiben Einhalt
zu gebieten, bauten die deutschen Besatzer 1915 einen Elektrozaun an der
belgisch-niederländischen Grenze, der von Vaalserquartier bei Aachen bis nach
Sluis an der flämischen Küste ging. Hier fanden tausende Menschen den Tot, u. a. auch Russen, die beim Bau des
Eisenbahnviadukts in Moresnet eingesetzt wurden. Und ebenfalls im Ersten Weltkrieg wurden belgische Grenzbewohner, z.B.
Welkenraedter Eisenbahnarbeiter, zur
Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Um die Lage der notleidenden Bevölkerung in
Belgien zu verbessern, bildeten sich
insbesondere in den USA, Spanien
und den Niederlanden Hilfskomitees, die Lebensmittel nach Belgien einbrachten.
Überall und auch in den belgischen
Grenzdörfern und auch in
Neutral-Moresnet, mit mehrheitlich deutscher
Bevölkerung, entstanden lokale Organisationen, die z.B. Brot und Suppe
an die Bevölkerung verteilten. Von diesen Gütern hätte auch die deutsche
Bevölkerung gerne etwas abbekommen, denn hier herrschte Hunger und Mangel an
allem. Südlimburg bleibt derweil eine „neutrale Enklave im Kriegsgebiet“, wo es
sich noch relativ gut leben ließ. Auch
im Großen Krieg arbeiteten Niederländer in Deutschland und in Belgien. Trotz
strenger Verbote, Elektrozaun und Schusswaffengebrauch oft mit Todesfolge funktionierte weiterhin der Schmuggel.
Im November 1918, nach dem Waffenstillstand, zogen die
deutschen Soldaten, oft verbrannte Erde hinterlassend und teilweise mit allen
was nicht niet- und nagelfest ist, nach Deutschland ab.
Jetzt kam die Stunde der Sieger und Besatzer, so wurden z.B. die Kreise Eupen und Malmedy
1920 definitiv belgisch. In Belgien selbst entwickelte sich mit Rückblick auf den Weltkrieg gerade bei
Jugendlichen ein Patriotismus, wie er bis dahin in diesem Land unbekannt war. Und
viele dieser Menschen fanden sich dann 1940, nach der zweiten deutschen
Invasion im Widerstand , wieder.
All diesen Themen und noch vielem Mehr geht die Ausstellung
mit zeitgenössischen Fotographien und anderem Originalmaterial nach. Schlachten
an fremden Fronten kommen hier höchstens am Rande vor. Es geht um die Menschen vor Ort und insbesondere
ihr Versuch in schwieriger Zeit zu überleben.
Zu sehen im alten preußischen Grenzhaus Weiss-Haus (Maison-Blanche), Lütticherstr. 2, B-4710 Lontzen.
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