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3 Vorbemerkungen
1. In Frankreich, Belgien, Großbritannien und den ehemaligen
Dominions, wird der Erste Weltkrieg zumeist als der „Große Krieg“ bezeichnet.
Der 11. November, Waffenstillstandstag 1918, steht oft mehr im öffentlichen
Gedenken als der 8. Mai, der für die Befreiung der Länder Europas und der Lager
vom Faschismus 1945 steht. Im gesamten deutschsprachigen Raum und auch in der
Deutschsprachigen Gemeinschaft überlagert die Erinnerung an den Zweiten
Weltkrieg, an die Kriegsverbrechen der Nazis und insbesondere an den Holocaust,
bei weitem die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Dabei kam es in Folge des
Ersten Weltkriegs zu entscheidenden politischen Veränderungen für das Gebiet
von Eupen-Malmedy.
2. Das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft , aber auch
die sogenannte „Preußische Wallonie“ um Malmedy bildeten damals – 1914 - einen
integralen Bestandteil des Deutschen Reiches. Aus eben diesem Gebiet und aus der nahen Stadt Aachen wurde in den frühen
Morgenstunden des 4. August 1914 der völkerrechtswidrige Angriff auf das
neutrale Belgien vorgetragen. 6 deutsche Brigaden zogen mordend und
brandschatzend in das kleine Nachbarland ein.
3. Dem Kriegsende am11. November 1918 folgte die militärische Besetzung des heutigen
Gebietes der Deutschsprachigen Gemeinschaftdurch alliierte Truppen.Der
Versailler Vertrag sprach das Gebiet 1919 Belgien zu und nach einer kuriosen
Volksbefragung, die auch als die „petite farce Belgé“ in die Geschichte
eingegangen ist, sprach der Völkerbund am 20. September 1920 das Gebiet
definitiv Belgien zu. Diese Ereignisse, ohne die es ja heute eine
Deutschsprachige Gemeinschaft nicht geben würde, sollen in 2020, entsprechend
ihrer historischen Bedeutung und ihrer Auswirkungen in die Gegenwart,
ausführlich beleuchtet und kritisch gewürdigt werden.In der Deutschsprachigen Gemeinschaft wird es
also nicht um vier sondern sechs Erinnerungsjahre gehen. Bereits im September
2010 fand in Eupen ein international beachteter Kongress statt, der sich mit
den Auswirkungen des Versailler Vertrages und auch der anderen Pariser
Vorortverträge in ihren regionalen und internationalen Auswirkungen
beschäftigte. Eine diesbezügliche Publikation liegt vor, weitere
Veröffentlichungen zu denKonsequenzen
des „ Großen Krieges“ in der Region sind fest geplant undauch schon in der Bearbeitung und werden in den
nächsten Jahren erscheinen.
Die belgische Bevölkerung unter deutscher Besatzung 1914-1918
„Im Schlachtgetümmel des Weltkriegs" [4]
Die Gründe, die zum 1. Weltkrieg führten, und der eigentliche militärische
Verlauf brauchen uns hier nicht zu beschäftigen. Deutschland stand vor dem
politisch selbstverschuldeten Dilemma eines Zweifrontenkriegs. Der Anfang des
Jahrhunderts vom damaligen Generalstabschef von Schliefen erarbeitete Plan sah
den schnellen entscheidenden Schlag gegen Frankreich aus dem Norden über das
neutrale Belgien vor, um nach gewonnenem Blitzkrieg mit der geballten
Heeresmacht gegen Russland loszuschlagen.
Nachdem Luxemburg bereits in der Nacht vom 1. auf den 2. August von deutschen
Truppen besetzt worden war, geschah der Einmarsch nach Belgien in den
Morgenstunden des 4. Augusts. Die ersten Grenzverletzungen geschahen in
Gemmenich, in der Nähe des Vierländerecks [5] bei Aachen. Etwa 20 Berittenen
folgte die Masse des 25. Aachener Infanterieregiments (Lützow). Belgisches
Militär war erst an der Maas konzentriert, es blieb so den verdatterten
belgischen Zöllnern nichts anderes übrig, als trotzig darauf hinzuweisen:
„C'est la Belgique ici" [6].
„Pardon
wird nicht gegeben" [7]
Trotz nur
vereinzelter Feindberührungen kam es schon bald zu Übergriffen auf die
Zivilbevölkerung, die in den nächsten vier Wochen mehr als 6.000 völlig
unschuldige Menschen [8] das Leben kosten sollten [9]. Bereits am 6. August
wurde in Gemmenich der Junggeselle Joseph Beuven erschossen, sein Haus dem
Erdboden gleichgemacht. Die einmarschierenden deutschen Truppen fühlten sich
durch das demonstrative Heraushängen der belgischen Fahne provoziert [10]! Am
Garnstock, nur wenige Meter von der preußischen Grenze bei Eupen entfernt,
drangen am Abend des 7. Augusts Angehörige eines Hannoveraner Regiments in ein
Kloster ein, aus dem man sie angeblich beschossen hatte. Hätte eine zufällig
vorbeikommende Ordonanz aus dem nahen Eupen nicht die völlige Harmlosigkeit der
Padres bescheinigt, so hätte sie auch ihre deutsche Staatsbürgerschaft nicht
vor dem Erschießungstod gerettet [11].
In der Nacht vom 8. auf den 9. August wurden in Overoth und Baelen, nur zwei
Kilometer von besagtem Kloster entfernt, 17 Zivilisten erschossen, darunter ein
13jähriges Mädchen, zwei Frauen von 24 und 62 Jahren und 13 Männer zwischen 30
und 68 Jahren [12].
Die wüsten Ausschreitungen einer
entfesselten deutschen Soldateska gegenüber der Zivilbevölkerung, hielten den
ganzen August und auch zu Beginn des Septembers an. Massenexekutionen von
Zivilisten waren an der Tagesordnung: Dörfer und Städte wie Battice, Herve,
Visé, Andenne, Tamines, Aerschot etc. wurden dem Erdboden gleich gemacht. Am
bekanntesten sind die Vorkommnisse in Löwen: zwischen dem 25. und 28. August
kamen dort nicht nur 209 Zivilpersonen zu Tode, sondern auch die weltberühmte
Universitätsbibliothek wurde ein Raub der Flammen [13].
Das schlimmste deutsche Kriegsverbrechen im ersten Weltkrieg in Belgien fand
wohl in Dinant an der Maas, knapp vor der französischen Grenze, statt. Dort
wurden in der letzten Augustwoche 1914 von ca. 6.000 Einwohnern 671, darunter
Säuglinge und Greise, von deutschen Soldaten ermordet und über etliche hundert
in ein Lager bei Kassel verschleppt [14].
„Franctireurs“ und Heckenschützen
Warum nun dieses durch nichts zu rechtfertigende Vorgehen
gegen die belgische Zivilbevölkerung insbesondere in den ersten Kriegswochen?
Schon in den ersten Augusttagen - Lüttich war gerade erst erreicht - berichtete
die zensierte deutsche Presse über schlimmste Übergriffe von belgischen
Zivilisten an deutschen Militärangehörigen: Soldaten, die zunächst bereitwillig
Quartier gefunden hätten, sollen von hinterlistigen Belgiern in der Nacht
ermordet und bestialisch verstümmelt worden sein. Die ganze Heimtücke der Belgier
hätte sich aber insbesondere dahin offenbart, dass nicht uniformierte Personen
aus Häusern und Hecken hinterrücks auf deutsche Soldaten geschossen hätten.
Auch deutsche Geschäftsleute in den belgischen Großstädten und Urlauber in den
Seebädern, wären von einem aufgebrachten Mob tätlich angegriffen und teilweise
auch ermordet worden [15].
Tatsächlich kam der deutsche Vormarsch in den ersten Augusttagen in Belgien
nicht so voran, wie es ein erfolgreiches Gelingen des Schliefenplans eigentlich
vorsah. Das belgische Heer stellte sich zwar nicht zur offenen Feldschlacht,
aber mit kleinen und schnellen mobilen Einheiten - oft mit Fahrrädern
ausgerüstet - gelang es den Verteidigern, dem deutschen Heer durchaus
erfolgreich schmerzhafte Nadelstiche zu verpassen und den Vormarsch erheblich
zu verzögern. Solcherlei Angriffe geschahen oft in der Nacht und bei Dämmerung,
der Feind war daher für die deutschen Soldaten meist nicht sichtbar. Auch kam
es vor, dass vorrückende deutsche Einheiten sich bei schlechten Sichtverhältnissen
und Unkenntnis des Geländes gegenseitig beschossen.
Tatsächlich gab es bei den einrückenden Soldaten eine weit verbreitete Angst
vor Partisanenüberfällen, die durch die obigen Presseberichte noch verstärkt
wurden. Vielleicht stellten sich einzelne Soldaten aus einem gewissen
Unrechtsbewusstsein heraus auch vor, dass Bürger eines kleinen überfallenen
neutralen Lands mit der Wut der Verzweiflung einen übermächtigen Aggressor
attackieren könnten. Der in Deutschland als Volksheld verehrte Andreas Hof
hatte ja 1809 in Tirol gegen die Franzosen schließlich nichts Anderes getan!
Und auch im deutsch-französischen Krieg 1870/71 hat es nach der Niederlage
Napoleons und der Organisierung des Heeres der Republik Einheiten gegeben, die
hinter den deutschen Linien, oft in Zivilkleidung oder kaum als Kriegs führend
zu erkennen, einen partisanenähnlichen Kleinkrieg führten und als
„Franktireurs“ [16] bezeichnet wurden.
War der Gegner, der vermeintlich
geschossen hatte, nicht sichtbar, so wurden 1914 in Belgien Zivilisten
verantwortlich gemacht. Oft wurden auch Schüsse gehört, die tatsächlich nie
abgefeuert wurden, so aus dem Kloster am Garnstock bei Eupen [17]. Auslöser für
das oben erwähnte Massaker in Overoth/Baelen soll eine umgestürzte Leiter
gewesen sein, die mit lautem Knall zu Boden gegangen war [18]!
Teilweise wurden solche Massaker von der deutschen Militärführung in brutalster
Art und Weise durchgeführt, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie von
jeder oppositionellen Haltung gegenüber den Soldaten abzuhalten. Nahezu jeder
Mann wurde für die Durchführung des Angriffsplans gebraucht, Besatzungen
konnten nur schwach vor Ort bleiben!
Daher kam es auch oft zu Ausschreitungen in Orten, die bereits Etappe waren,
etwa in Visé. Die Stadt war bereits am ersten Kriegstag erobert, wurde aber
erst am 15. August in Brand geschossen [19]! Auch bei der deutschen
Grenzbevölkerung zeigte die Franctireurspropaganda Wirkung: in Eupen
verbreitete sich am 18. August 1914 wie ein Lauffeuer das Gerücht, im nahen
belgischen Hertogenwald hätten sich 5.000 (! H. R.) belgische Freischärler
versammelt, um die vom deutschen Militär fast gänzlich verlassene Stadt
anzugreifen [20]. In einem Klima um sich greifender Panik [21], die auch den
Stadtkommandanten erfasste, wurden unverzüglich Soldaten aus Aachen und vom
nahen Grenzbahnhof Herbesthal nach Eupen verlegt. In der darauf folgenden Nacht
fiel dann auch noch die Gasbeleuchtung aus, gegen Mitternacht wurde Alarm
gegeben, aber keiner der (nicht existierenden) Franctireurs lies sich blicken!
Die Angstpsychose der Eupener Bevölkerung scheint begreiflich, sie hatte
hautnah, teilweise durch eigenes Beobachten, teilweise durch Schilderungen,
erfahren, was sich in allernächster Nachbarschaft abgespielt hatte. Auch die
Hetzkampagne der deutschen Presse hatte wohl ihr Übriges getan, vielleicht gab
es sogar ein gewisses Unrechtsbewusstsein, das die Angst vor Vergeltung noch
zusätzlich steigerte!
Die Übergriffe an der
Zivilbevölkerung in Belgien führten nicht nur zu wütenden Protesten der gegen
Deutschland Krieg führenden Nationen, sondern lösten auch einen Strom der
Entrüstung in den neutralen Ländern, vor allem auch in den USA aus. Deutschland
wurde das Recht abgesprochen, sich weiter als Kulturnation zu betrachten und
wichtige Hilfskomitees zur Versorgung der belgischen Zivilbevölkerung - etwa
die, „Commission for Relief in Belgium“ unter Herbert C. Hoover, dem späteren
US-Präsidenten - wurden gegründet.
Vor der Weltöffentlichkeit in die Defensive gedrängt versuchte die deutsche
Reichsregierung 1915 in einem Weißbuch vornehmlich mit Zeugenaussagen deutscher
Soldaten ihre These vom Franctireurkrieg am Beispiel der Vorkommnisse von
Löwen, Dinant, Tamines und Aarschot zu belegen. Auch in der Weimarer Republik
und gerade in der NS-Zeit wurde an dieser Vorstellung festgehalten: ein
Eingeständnis deutscher Schuld hätte nach offizieller Ansicht einer gewünschten
Revision des Versailler Vertrages zusätzlich im Weg gestanden [22].
Erst 1956 kam eine aus bekannten belgischen und deutschen Hochschullehrern
gebildete Kommission zu dem Ergebnis, dass das deutsche Weisbuch und somit auch
die auf ihm basierenden offiziösen deutschen Werke der Zwischenkriegszeit als
ernst zu nehmende Quelle auszuscheiden hätte, „weil es in seinen Grundthesen
unhaltbar und in zahlreichen der in ihm zusammengestellten Zeugenaussagen
nachweislich anfechtbar sowie planmäßig verfälscht worden ist" [23].
Andererseits boten die deutschen Gräueltaten den Alliierten 1914/15 billige
Argumentationsvorlagen für eine Propagandaattacke gegen den Feind: z.B. dienten
während und nach dem Krieg in Massenauflagen erschienene preiswerte Broschüren
weniger der Aufklärung als vielmehr der Belebung von Hassgefühlen auf den
Gegner [24]. Am 5. Dezember 1914 brachte die großformatige französische Wochenzeitschrift,
„L' Illustration“ in der Heftmitte über eine Doppelseite eine Karikatur von
F.M. Roganeau. Sie zeigt eine völlig verwüstete, teilweise noch brennende
belgische Stadt mit einem Leichenberg in der Mitte, darüber einen mit der
belgischen Fahne behängten Racheengel und trägt die Unterschrift „L'Holocauste“
[25]!
Weitere Unterdrückung der
Zivilbevölkerung und Massenflucht
Die brutalen Übergriffe deutscher
Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung führten vom ersten Kriegstag an zur
Massenflucht in die benachbarten Niederlande. Nach dem Fall von Antwerpen im
Oktober 1914, zählte man zeitweise eine Million Belgier in den Niederlanden.
Die am 25. August 1914 eingesetzte Generalgouvernementsverwaltung in Brüssel
versuchte mit allen Mitteln das illegale Überschreiten der Grenze zu
verhindern. Landsturm bewachte scharf die Grenze. Es waren eben nicht nur alte
und gebrechliche Leute, die in die Niederlande gingen, um dort interniert zu
werden, sondern auch viele junge Männer, die weiter an die Front nach Flandern
wollten. Auch für Spione, berufsmäßige Schmuggler, Kriegsgefangene und deutsche
Deserteure, waren die neutralen Niederlande ein lohnendes Ziel. Bereits 1914
war deutscherseits an einem Abschnitt der Schweizer Grenze ein elektrischer
Zaun installiert worden mit der Absicht, junge Elsässer, denen deutscher
Patriotismus gänzlich abging, von einer Flucht in das Nachbarland abzuhalten.
Zu Beginn des Jahres 1915 beschloss
die Generalgouvernementsverwaltung in Belgien eine ähnliche Sperre an der
Grenze zu den Niederlanden zu errichten [26]. Baubeginn war im April 1915, am
23. August wurden die ersten 18 Kilometer von Aachen aus Richtung Maas in
Betrieb genommen, wenige Wochen später war die ganze Anlage in Betrieb.
Vorsichtigen Schätzungen nach, hat der Todesdraht, dessen Spannung zwischen 500
und 2.000 Volt variiert werden konnte, mindestens 3.000 Menschen das Leben
gekostet. Die lebendig aufgegriffenen Grenzverletzer, die dann später
andernorts hingerichtet wurden, nicht mitgerechnet [27]. Für die Grenzgemeinde
Gemmenich sind für die Zeit vom Januar 1916 bis zum September 1918 18 Tote
nachgewiesen, darunter 16 russische Kriegsgefangene [28], die unter
erbärmlichsten Umständen beim Bau der strategisch ungemein wichtigen
Eisenbahnlinie von Aachen über Gemmenich, Visé nach Tongeren eingesetzt waren
[29].
Auch in den nachfolgenden Jahren war
das Besatzungsregime für die Zivilbevölkerung äußerst hart [30]. Bereits im
Herbst 1914 wurde dem Land - völkerrechtswidrig - eine Kontribution von 40
Millionen Franken auferlegt, erhöht im November 1916 auf 50 und im Mai 1917
schließlich auf 60 Millionen [31]. Nachdem es den deutschen Behörden nicht
gelungen war, nennenswert freiwillige Arbeitskräfte aus Belgien nach
Deutschland zu vermitteln, wurde ab Oktober 1916 zur Zwangseinberufung von
Arbeitskräften übergegangen [32]. Oft in ungeheizten Viehwaggons wurden bis
Februar 1917 ca. 60.000 Belgier nach Deutschland verfrachtet. Dort kamen sie in
sog. Verteilungsstellen, die Kriegs- oder Zivilgefangenenlagern angegliedert
waren, wobei die verantwortlichen Stellen großen Wert darauf legten, dass diese
Lager in der Öffentlichkeit nicht als Konzentrationslager bezeichnet wurden
[33]. In Belgien führten diese Maßnahmen zu einer weiteren Steigerung der Wut
der Bevölkerung und der mutige Primas von Belgien Kardinal Mercier [34],
unterließ es auch in dieser Angelegenheit nicht, der Besatzungsmacht klar und
deutlich seine Meinung zu sagen. Die scharfen Proteste insbesondere aus dem
neutralen Ausland, führten schließlich dazu, dass die Deportationen aus dem
Generalgouvernement im Februar 1917, aber nicht aus dem von der Heeresleitung
direkt kontrollierten Etappengebiet Ostflandern und dem Frontgebiet
Westflandern eingestellt wurden.
Eine wohlwollende Förderung seitens
der Besatzungsmacht genossen flämische Kreise, die sich für eine Loslösung von
Belgien aussprachen. Diese Kollaborateure waren deutscherseits als
Bündnispartner bei einer politischen Nachkriegslösung vorgesehen.
FuBnoten:
[4] so der Titel eines Buches von Georg Geliert, Berlin o.J.
(ca. 1915).Es handelt sich hierbei um eine „Veröffentlichung der deutschen
Gesellschaft zur Verbreitung guter Jugendschriften und Bücher", deren
Ehrenpräsident Reichskanzler Fürst von Bülow war. Die Darstellung der
Kriegshandlungen 1914 ist in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet, die insbesondere
Stimmung für das brutale deutsche Vorgehen in Belgien machen soll. So erleben
Mitglieder der Familie Hellwig in Belgien die allerschlimmsten Übergriffe eines
entfesselten Mobs an wehrlosen deutschen Zivilisten und Soldaten. Das
Propagandatraktat gipfelt in der Darstellung der Erschießung eines belgischen
Adligen, der nichts ahnenden
deutschen Soldaten nach dem Leben trachtet. Deutschem Großmut ist es
schließlich zu verdanken, dass die vorgesehene Niederbrennung des Schlosses
unterbleibt, dies um dem minderjährigen (jetzt: Waisentöchterlein das Erbe zu
erhalten!).
[5] Am „Vierländereck“ bei Aachen kamen die Niederlande, Belgien, Deutschland
und das bis zum Inkrafttreten des Versailler Vertrags existierende Gebiet von
Neutral-Moresnet zusammen; vgl. zu dessen Geschichte z.B.:Ruland, Herbert:
„Arbeiterbewegung im Gebiet von Neutral-Moresnet (Altenberg, Kelmis-La
Calamine)“, in: Ders.: „Zum Segen für uns Alle. Obrigkeit, Arbeiterinnen und
Arbeiter im deutsch-belgischen Grenzland (1871-1914)“, Eupen 2000, hier insbes.
S.225-238 u. 315-318
[6] vgl. Vanneste, Alex: „Kroniek van een dorp in oorlog. Neerpelt 1914-1918.
Het dagelijks leven, de Spionage en de elektische draadversperring aan de
Belgisch-Nederlandse grens tijdens de Eerste Wereldoorlog“, Deel 1: 1914-1915,
Deurne 1998,8.14
[7] Wilhelm II. in der berüchtigten „Hunnenrede“ bei der Verabschiedung des
deutschen Expeditionskorps nach China (sog. ,Boxeraufstand') am 27.7.1900
[8] vgl. Petri, Franz/ Schöller, Peter: „Zur Bereinigung des
Franktireurproblems vom August 1914“, in: Vierteljahreshefte für
Zeitgeschichte, Heft 9, 1961, S.234
[9] die detaillierteste zeitgenössische Darstellung, die wohl alle Orte
benennt, in denen im August/September 1914 Übergriffe an der Zivilbevölkerung
stattgefunden haben: Cuvelier, Joseph: La Belgique et la guerre, Teil II:
L'invasion Allemande. Preface de Henri Pirenne, recteur de l'universite de
Gand, Brüssel 1921; ausführliche - aber nicht alle vorkommenden Orte
berücksichtigende Listen während der Besatzungszeit 1914-1918 von deutschen
Soldaten getöteten belgischen Zivilisten in: Lyr, Rene: Nos Heros. Morts pour
la patrie. L'epopee Belge de 1914 à 1918.(Histoire et documentation). Tableau
d'honneur des officiers, sous-officiers, soldats, marins et civils tombes pour
la defence des foyers belges, hier erw. Ausgabe Brüssel 1930, quatrieme partie,
S. 1-35
[10] mündliche Auskunft von Frau Netty Drooghaag-Bütz an den Autor
[11] vgl. Hermanns, Leo: Die Eucharistiner vom Garnstock, in: Geschichtliches
Eupen, Eupen 27. Jg. 1994, S.ölf; bei dem unter Anm. 10 geschilderten Massaker
kam auch ein preußischer Staatsbürger, der Schreiner Jean Dadt ums Leben, Frau
und Tochter des ebenfalls erschossenen Landwirts Joseph Miessen, dessen
Leichnam erst nach 14 Tagen in seinem völlig niedergebrannten Haus gefunden
wurde, kamen schwer verletzt in das Eupener Krankenhaus, da sie ebenfalls
preußische Staatsbürger waren, vgl. ders.: Eupen im Ersten Weltkrieg, in:
Geschichtliches Eupen, 33. Jg. 1999, hier S.59
[12] vgl. Massenaux, Guillaume: Baelen-sur-Vesdre. Village auxmarches de la
Francite. Temoignages de son evolution au cours du dernier siècle. L'expansion
de la langue française, suite aux deux guerres, Baelen 1981, S.55-59
[13] vgl. zu den Vorgängen in Löwen: Schivelbusch, Wolfgang: Die Bibliothek von
Löwen. Eine Episode aus der Zeit der Weltkriege,
München, Wien 1988
[14] vgl. u.a. bei Dietrich: Die Belgier, a.a.O., S.258-261; Donat, Helmut:
Wer sich uns in den Weg stellt...- Aus einem dunklen Kapitel deutscher
Geschichte: der Überfall auf Belgien imAugust 1914, in: Donat, Helmut/
Strohmeyer, Arn (Hrsg.): Befreiung von der Wehrmacht? Dokumentation
der Auseinandersetzung um die Ausstellung Vernichtungskrieg -
Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944' in Bremen 1996/97, Bremen
1997, S.93
[15] Solche Berichte finden sich in den ersten Augustwochen 1914 in allen
deutschen Tageszeitungen, wobei es sich fast ausschließlich um zensierte
Meldungen der halboffiziellen Nachrichtenbüros WTB handelt, deshalb sind
zunächst in fast allen Zeitungen die gleichen Kommuniques wiedergegeben. Erst
mit einer Lockerung der Zensur und der Zulassung von Kriegsberichterstattern
Ende August, wird die Berichterstattung vielfältiger, aber darum noch lange
nicht wahrheitsgetreuer. In der Eupener Lokalpresse, die hier untersucht wurde,
finden sich dann insbesondere Horrorberichte angeblicher Eupener (N.N.), die
den Kriegsausbruch in Belgien erlebt hätten. Auch über die Zerstörung von
grenznahen Ortschaften und Massakern an der Zivilbevölkerung wird berichtet,
wobei nach Ansicht der Verfasser, die Betroffenen diese Maßnahmen einzig und
allein ihrem heimtückischen Verhalten gegenüber den deutschen Soldaten
zuzuschreiben hatten. [16] z. B.: Lindner: a.a.O., insbes. S.102f [17]
Hermanns: Erster Weltkrieg, a.a.O., [18] ebd.,
[19] vgl. hierzu z.B.: Cuvelier: L'Invasion Allemande, a.a.O., S.82-86 [20]
vgl.: Kreuer, Hubert: Eupen beim Einzug der Deutschen nach Belgien, in: Vom
Krieg und von Daheim, Sonderbeilage der Eupener Nachrichten, Nr.5 v.
24.12.1914, S.33f, teilw. abgedr. bei Hermanns, Leo: Eupen im Ersten Weltkrieg,
a.a.O., S.61-63 [21] „'Die Belgier sinnen auf Rache!' hieß es, „sie
organisieren Franktireurbanden, die nur auf den geeigneten Zeitpunkt warten, da
sie über uns herfallen können", so munkelte man./.../ Und die Aengstlichen
der Einwohner harrten und bangten. Was soll aus uns werden? Von Franktireurs
überfallen werden - schrecklich! Verstümmelt, geschändet, gemordet, die Häuser
in Brand gesteckt! 0 Gott, wie soll das enden! Und unsere armen Kinder!. In
einzelnen Familien wird fieberhaft gepackt, um möglichst schnell fliehen zu
können...", Kreuer, ebd., S.33 [22] vgl. hierzu: Wieland, Lothar: Belgien
1914. Die Frage des belgischen .Franktireurkrieges' und die deutsche
öffentliche Meinung von 1914 bis 1936, FFM,Bern,New York 1984 [23] hier zit.
nach Donat: Wer sich uns.., a.a.O., S. 100 [24] vgl. z.B.: D'Ars, C.M.L.: La
Fureur Boche aNamur, Antwerpen, o.L; Prouvaire, Jean: Sac et massacres de
Louvain, Antwerpen o J. [25] FIllustration, Journal Universel, 72. Jg. 1914,
Nr. 3744 v. 5.12., S.432f
[26] Obwohl die Errichtung des elektrischen Zauns an der
belgischniederländischen Grenze einen weiteren wesentlichen Einschnitt in das
Leben der Menschen im besetzten Land und wohl mehreren tausend Personen den Tod
brachte, ist die Erinnerung hieran fast gänzlich erloschen. Auch in der
belgischen Fachliteratur aus der Zwischenkriegszeit, die ja versuchte ein
möglichst dramatisches Bild der Besatzungszeit zu zeichnen, tauchte der Zaun
seltsamerweise zumeist nur am Rand oder in Fußnoten auf. In deutschen
Veröffentlichungen aus dieser Zeit wird der Zaun, wenn überhaupt, zumeist als
Ort spannender Auseinandersetzungen zwischen alliierter Spionage und deutscher
Gegenspionage dargestellt, vgl. z.B.: Binder, Heinrich: Spionagezentrale
Brüssel. Der Kampf der deutschen Armee mit der belgisch-englischen Spionage und
der Meisterspionin Gabriele Petit, Hamburg, Berlin, Leipzig, 1929; Vanneste:
Een Dorp, a.a.O., Teil I und II: Seite 287-292 im l. Teil enthält das Faksimile
einer Orginalkarte, die den Verlauf der Anlage von Aachen bis an die Scheide
zeigt; Herzog, Martin/Rösseler, Marko: Der große Zaun. Ein bizarres Kapitel aus
der Terrorgeschichte des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg, in: Die Zeit,
16.4.1998, S.82. Mit den Auswirkungen dieser Grenzsperre auf das Leben der
damaligen Bewohner der Euregio Maas-Rhein, wird sich der Autor dieses Textes an
anderer Stelle ausführlich beschäftigen, vgl. auch Ruland: Die tödliche
Elektrofalle. Der 2000-Volt-Zaun zwischen Belgien und Holland fing in Aachen
an, in: Aachener Nachrichten, 10.8.1999, S. Euregio [27] Vanneste zit. n.
Herzog/Rösseler, ebd.,
[28] vgl. Emunds, Paul: Rauchfahnen, Streikfahnen, Staubfahnen auf Rothe Erde
über Eilendorf, Forst und Nirm, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte
einer Arbeiterwohngemeinde, Schriftenreihe Band 2, Aachen 1989, S.145-147
[29] Die eigentliche Verbindung von Deutschland nach Antwerpen mit Abzweigen
nach Südbelgien und Nordfrankreich, ging durch Niederländisch-Limburg und stand
wegen der Neutralität dieses Landes Deutschland im l. Weltkrieg nicht zur
Verfügung. Beim Bau der Ersatzlinie sollen etwa 1000 Russen eingesetzt gewesen
sein, vgl. Bovy, Armand: La Ligne 24. Tongres-Vise-Gemmenich, o. O., 1998,
S.65-67,144 u. 180; nicht zuletzt durch Ausschachtungsarbeiten auf einem
ehemaligen russischen Lagerplatz in der Gemeinde Moresnet, erhärtet sich immer
mehr der Verdacht, daß hier auch zur Zwangsarbeit verpflichtete Russinnen
eingesetzt waren, der Autor wird dem nachgehen. [30] Zum Alltagsleben der
Bevölkerung während der Besatzungszeit immer noch informativ: Rency, Georges:
La vie materielle de la Belgique durant la guerre mondiale. La Belgique et la
guerre, Bd.l, Brüssel 1920 [31] vgl. hierzu und für das Nachfolgende
zusammenfassend auch Dietrich, a.a.O., S.262
[32] vgl. hier insbes. Thiel, Jens: Belgische Zwangsarbeiter in Deutschland im
Ersten Weltkrieg, Magisterarbeit (unveröffentlicht), Humboldt-Universität,
Berlin 1997
[33] So hieß es in einer diesbezüglichen Mitteilung des preußischen
Kriegsministeriums vom Oktober 1916: "Eigentliche Konzentrationslager für
zwangsweise abgeführte belgische Arbeiter sollen nicht errichtet, auch der
Ausdruck ,Lager' vermieden werden und statt dessen von Unterkunftsstätten für
Industriearbeiter gesprochen werden", ebd., S. 106. [34] zur Rolle des
Primas von Belgien im 1. Weltkrieg, vgl. Meseburg-Haubold, Ilse: Der Widerstand
Kardinal Merciers gegen die deutsche Besetzung Belgiens 1914-1918. Ein Beitrag
zur politischen Rolle des Katholizismus im 1. Weltkrieg, FFM, Bern 1982
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