Grenzgeschichte DG - Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

 

 

Grenzübergang "Köpfchen" 

Köpfchen – Grenze seit Menschengedenken

Die Bewohner von Grenzregionen können fast immer von leidvollen Erfahrungen berichten. Im Fall von Kriegsereignissen zwischen Nachbarn sind sie die Ersten die hiervon betroffen sind: durchziehende Truppen, Verwüstungen, Einquartierungen, Ablieferung von Lebensmitteln etc. waren und sind an vielen Enden der Welt noch Heute an der Tagesordnung.

Auch an der Schnittstelle Köpfchen und in der Umgebung der ehemaligen Freien Reichsstadt Aachen ging es im Lauf der Geschichte „drunter und drüber“. Hier „empfahlen“ sich u.a. Limburger, Brabanter und Burgunder, Habsburger der spanischen und der österreichischen Linie, niederländische Generalstaatler, republikanische und kaiserliche Franzosen, Preußen und „Groß-Deutsche“, US-Amerikaner, die von den Einen als Befreier von vielen der Anderen zumindest zunächst als Besatzer empfunden wurden.


Köpfchen – der Ort

1901, in preußischer Zeit, wurde mit dem Bau der Kleinbahn (Straßenbahn-)Verbindung von Aachen nach Eupen über Köpfchen begonnen. Diese wurde 1906 fertig gestellt und führte ab 1910 sogar bis zum deutschen Grenzbahnhof Herbesthal.
Auf Köpfchen markierte ein großer Stein die „Unterhaltungsgrenze“ der Straße zwischen der Stadt Aachen und dem Kreis Eupen.
In einer Zeit als der mehrwöchentliche Arbeitererholungsurlaub noch völlig unbekannt war, wurde der landschaftlich reizvoll gelegene Ort Köpfchen zum vielbesuchten  Naherholungsziel.
Attraktionen waren Spaziergänge zum Landgraben mit den alten Grenzsteinen und  ‚Harfenbuchen’,  zu den eiszeitlichen Zyklopensteinen und vielleicht sogar bis Neutral-Moresnet zum ‚zollfreien Einkauf’ – sprich Schmuggel!Zahlreiche Gaststätten entstanden hier auf Köpfchen und in der näheren Umgebung.

Durch die Grenzziehung von 1919 verlor der Ort viel von seiner vorherigen touristischen  Attraktivität: Gaststätten wurden zu Zollstationen.
Durch eine angepasste grenzüberschreitende Entwicklung im Rahmen der Euregionale 2008, durch die Synergie von Kultur, Natur und Geschichte, könnte der Ort wieder an seine frühere Attraktivität anknüpfen.



Philip der ‚Gute’ , der Landgraben und die Harfenbuchen

1439 weilte Philip, als Landesherr von Burgund auch Herzog von Limburg, zur Reliquienverehrung in Aachen. Auf der Rückreise annektierte er kurzerhand einen Landstrich aus reichsstädtischem Besitz der insbesondere die wertvollen Galmeivorkommen des Altenbergs umfasste, aber auch die endgültige Grenze bei  Köpfchen zog.
Solche Vorkommnisse wollte die Aachener Verwaltung zukünftig möglichst  vermeiden!
An der äußersten reichsstädtischen Grenze wurde nunmehr ein Wall aufgeschüttet, der beiderseits von einem Graben umgeben war und  auf dem eine dichte Buchenhecke gepflanzt wurde.
Die Hecke fiel Ende des 18. Jahrhunderts den ‚Modernisierungsbestrebungen’ der französischen Besatzer zum Opfer.
Aus stehen gebliebenen Resten entwickelten sich skurrile Baumtypen, die oftmals an Harfen erinnern.


Der Westwall

Schon kurz nach der Besetzung des entmilitarisierten Rheinlands durch die Wehrmacht am 7. März 1936, begann die Planung für ein Befestigungswerk im Westen des Reichs, das von Wesel bis nach Basel reichen sollte. Durch den Bau sollte den Nachbarvölkern, insbesondere Frankreich, vorgetäuscht werden, dass Hitler hier nur defensive Ziele verfolgte. Direkt an der Grenze wurden Höckerlinien als Panzersperren angelegt, dahinter folgten tief gestaffelte Bunkersysteme.
Am 14. Mai 1939 überzeugten Hitler und Himmler sich vom Stand der Bauarbeiten an den Sperranlagen in Bildchen und auch hier in Köpfchen
Der Westwall war im Vergleich zur  französischen Maginotlinie weit unterlegen, sein tatsächlicher militärischer Wert war recht gering.
Am 10. Mai 1940 geschah aus der Tiefe des Westwalls der Überfall der Wehrmacht auf Frankreich und die neutralen BeNeLux-Staaten, am 12. September 1944 stoppen die  Amerikaner übereilt ihren Vormarsch am Köpfchen, das Tor zum Rhein war tatsächlich weit offen: nicht zuletzt durch die Wirkung der deutschen Propaganda wurde die Verteidigungskraft des Westwalls von den Amerikanern weit überschätzt.
Heute prägen die zumeist aus Kostengründen erhaltenen  Höckerlinien noch nachhaltig die Grenzlandschaft und sind ein wichtiges Rückzugsgebiet für seltene Tiere und Pflanzen.
Der Westwall hat den Denkmalwert des Unerfreulichen.


Leben mit dem Westwall

Die meisten Bunkeranlagen des Westwalls wurden bereits in den ersten Nachkriegsjahren gesprengt. Da die letzten verbliebenen Anlagen eine vermeintliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, werden diese auch heute noch beseitigt. Denkmalschützer und andere historisch interessierte Bürger kämpfen um deren Erhalt.
Im Gegensatz zu den Bunkern erwies sich die  Beseitigung der oft  kilometerlangen Höckerlinien als so ungeheuer kostenintensiv, dass diese in weiten Teilen erhalten blieben.  Eventuelle Anwohner mussten  sich wohl oder übel mit diesen Hinterlassenschaften einer wenig friedvollen Zeit arrangieren.
Hier an der ehemaligen Zollsiedlung steht der Westwall im Garten und im Sommer können hier Zwiebel- und Bohnenpflanzen in der Höckerlinie bewundert werden.


Flucht

Politische Grenzen zwischen Staaten werden gerade auch von den direkten  Anwohnern oft als Ärgernis empfunden, sie behindern sie in ihrer täglichen Bewegungsfreiheit.
Während die ehemaligen Binnengrenzen in der EU heute weitestgehend offen sind, schottet sich die Gemeinschaft nach außen immer mehr ab, dies insbesondere um nichteuropäischen Flüchtlingen den Weg nach hier zu versperren.
Mit dem Beginn der NS-Zeit, bedeutete die Flucht aus Deutschland in das benachbarte Ausland, die zeitweilige oder lebenslange Rettung der Betroffenen vor den Schergen der braunen Diktatur.
Belgien galt damals als besonders liberales Aufnahmeland. Nachdem die Flüchtlinge eine 10 Kilometer breite Grenzzone überwunden hatten, konnten die Flüchtlinge sich fei bewegen und auch einer Arbeit nachgehen.

Direkt nach 1933 kamen zunächst Menschen, die politisch in Deutschland verfolgt waren, insbesondere Kommunisten, Sozialdemokraten, und Gewerkschafter nach Belgien.
Diese Menschen kamen hier auf Köpfchen oft mit der Kleinbahn an. Sie wurden auf der deutschen Seite von belgischen Gesinnungsfreunden abgeholt, gingen oft als Liebespaare getarnt durch den Wald und stiegen auf der anderen Seite wieder in die Bahn ein.

Korrespondierend mit der Verschärfung der Rassegesetzgebung nahm die Flucht der Juden über die deutsch-belgische Grenze zu und erreichte ihren ersten Höhepunkt nach dem sogenannten Anschluss Österreichs im März 1938. Wiener Juden kamen oft die tausend Kilometer teilweise zu Fuß um hier nach Belgien zu gelangen. Den ‚Judenfängern’, wie man die Gendarmen bezeichnete entgangen , saßen sie auch hier in den Häusern und Gehöften in der Flög und warteten darauf weiter nach Belgien hineingeführt zu werden.

Während die belgischen Anwohner meist aus christlicher und humanistischer Überzeugung handelten, ließen sich die ‚Judentreiber’, die die Menschen fortbrachten, ihre Arbeit meist gut bezahlen.
Die Fluchtbewegungen dauerten bis in die Kriegszeit an.


Der Kaffeeschmuggel an der deutsch-belgischen Grenze:

Der Schmuggel ist eines der ältesten Gewerbe der Welt.
‚Salz, Streichhölzer, Petroleum’, war der Standartsatz der preußischen Zöllner an der belgischen Grenze bis zum Ersten Weltkrieg.

Mit der Ratifizierung des Versailler Vertrags, verlief die deutsch-belgische Grenze wieder hier auf Köpfchen und nicht nur im nahen belgischen  Lichtenbusch, wo die eine Dorfstrassenseite deutsch blieb, entstanden Schmuggelbuden, die preiswert Wein, Zigaretten und Kaffee anboten.
Nicht nur Kleinschmuggler, sondern auch schon straff organisierte Banden bedienten sich hier.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Schmuggel durch die Not der Menschen bisher ungekannte Ausmaße an.
Aus Deutschland wurden zunächst hochwertige Vorkriegserzeugnisse, wie Fotoapparate, elektrisches Spielzeug etc., aber auch Vieh und Buntmetalle nach Belgien verbracht um sie dort gegen Kaffee einzutauschen.

Nach der Währungsreform in den Westzonen, konnte das Schmuggelgut nunmehr problemlos mit dem neuen deutschen Geld bezahlt werden.

Geschmuggelt wurde von Kinderbanden, die bepackt durch den Westwall liefen, von Erwachsenen mit umgebauten amerikanischen Straßenkreuzern, sogar mit Panzerspähwagen aus belgischen Armeebeständen. Am schlimmsten ging es hier in den frühen fünfziger Jahren her. Mit der Senkung der Kaffeesteuer durch den deutschen Bundestag auf ein erträgliches Ausmaß 1953, war dann dem gewerblichen Großschmuggel weitestgehend der Boden entzogen.

Über fünfzig Menschen verloren an der ‚Kaffeefront’ an der ‚sündigen Grenze’ im ‚Wilden Westen Deutschlands’ ihr Leben.
Der letzte Kaffeetote  war ein 36jähriger Kleinschmuggler aus Nütheim bei Walheim. Er wurde am 22. Februar 1964 in Lichtenbusch von einem Zollbeamten getötet: der ‚Schmuggler’ führte eineinhalb Pfund Kaffee, 20 Eier und 100 Gramm Tee mit sich….




 

 

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EXTERNE AUFTRÄGE


Koordination der „Aktionstage Politische Bildung“


Demokratieerziehung in Brüssel


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft in der „Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im pädagogischen Beirat des „Jüdischen Museums der Deportation und des Widerstandes in Mechelen“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Verwaltungsrat der Gedenkstätte Breendonk



 

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