Grenzgeschichte DG - Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

 

 

Belgien: Zeitgeschichte und Erinnerung an 2 Weltkriege in einem komplizierten Land 

Beobachtungen aus der Randposition des deutsch-belgischen Grenzraums
von Herbert Ruland

Das belgisch-deutsche Verhältnis ist nicht erst seit der Besatzungszeit 1940-1944/45 belastet. Bereits das Verhalten des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg in Belgien trug Züge eines Vernichtungskriegs gegen die Zivilbevölkerung und führte zu weitestgehender Ausplünderung und Zerstörung des Landes.
Ohne die Betrachtung der zeitgeschichtlichen Abläufe in Belgien im Ersten Weltkrieg, kann das Verhalten weiter Kreise der belgischen Bevölkerung in den Zwischenkriegsjahren, insbesondere aber auch in der Zeit der zweiten Besatzung, die der ersten nach einem guten Vierteljahrhundert folgte, kaum nachvollzogen werden. Der deutsche Militärbefehlshaber für Belgien und Nordfrankreich - ein Neffe des letzten Generalgouverneurs für Belgien 1918 - trat 1940 mit dem Anspruch an, dem besetzten Land eine „gerechtere“ Verwaltung zu geben, als diese im 1. Weltkrieg praktiziert wurde: eine Absicht die aber bald von deutschen Zivil- und Parteidienststellen unterlaufen wurde.
Erinnern an Besatzung, Ausplünderung, Verfolgung und Widerstand beinhaltet auch heute noch in Belgien das Erinnern an zwei Weltkriege.
Offizieller und arbeitsfreier Erinnerungstag ist der 11. November: dann gedenken staatliche, kommunale und kirchliche Vertreter, sowie die Ehemaligenverbände des W
affenstillstands von 1918. Der „V-dag“, der 8. Mai, „der Tag der Befreiung des Landes und der Lager vom Nazismus“ ist gewöhnlicher Arbeitstag und findet nur bei „runden Jubiläen“, wie etwa 1995 über die Betroffenengruppen hinaus Beachtung.

Die Niederlande - in etwa die heutigen BeNeLux-Staaten - waren über Jahrhunderte Herrschaftsgebiet und Spielball auswärtiger Mächte [1], auf die etwa hundertjährige Burgunderherrschaft folgten zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Habsburger und bei der Teilung des Reichs durch Karl V. kamen die Niederlande zur spanischen Linie dieses Herrscherhauses. Wenig später setzte der jahrzehntelange Kampf des Nordens der Niederlande gegen die spanische Herrschaft ein, der erst 1648 mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Generalstaaten durch Spanien beendet wurde. Um die südlichen Niederlande, in etwa Belgien und Luxemburg, setzte neuer Streit zu Beginn des 18.Jahrhunderts nach Aussterben der spanischen Linie des Hauses Habsburg ein. Ein Erbfolgekrieg endete mit der Besitznahme durch die österreichischen Habsburger, die 1794 durch die französischen Revolutionstruppen endgültig vertrieben wurden. Das Land wurde Teil der französischen Republik. Auf dem Wiener Kongress wurde aus strategischen Erwägungen aus den nördlichen und südlichen Landesteilen das Königreich der Vereinigten Niederlande unter Wilhelm I. von Oranien-Nassau geschaffen, einer Mittelmacht, die in der Lage sein sollte, Frankreich von der Kanalküste fernzuhalten.
Allgemeine Unzufriedenheit mit der Bevormundung aus dem Norden führten aber schon 15 Jahre später, unter dem Eindruck der Juli-Ereignisse in Frankreich und der Erhebungen in Polen Ende August 1830 zu einem Aufstand des Südens gegen die Oranierherrschaft. Am 10. Oktober wurde das Königreich Belgien proklamiert, am 8. Februar 1831 die Verfassung verkündet. Erster König wurde Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha, der am 21. Juli 1831 sein Amt antrat. 1839 erkannten auch die Niederländer endgültig die Unabhängigkeit des Nachbarlandes an. Belgien seinerseits verpflichtete sich zur immerwährenden Neutralität, die von den damaligen Großmächten Österreich, England, Preußen, Russland und Frankreich garantiert werden sollte.

Während des 19. Jahrhunderts kannte das deutsch-belgische Verhältnis wenig Belastungen. Verständlichen Ärger gab es in Belgien, als bekannt wurde, dass Bismarck, während des preußisch-österreichischen Krieges 1866 Napoleon III., der sich die Neutralität in dieser Auseinandersetzung von Preußen mit der Abtretung linksrheinischen deutschen Gebietes honorieren lassen wollte, auf Kompensationen in Belgien abzulenken versuchte [2].

Im deutsch-französischen Krieg 1870/71, gelang es Belgien seine Neutralität zu erhalten, auch wenn die entscheidenden Kampfhandlungen in Lothringen Ende August, Anfang September hart an der belgischen Grenze stattfanden. Nach der Kapitulation bei Sedan wurde Napoleon III. am 3. September über Belgien nach Kassel in Gefangenschaft gebracht, über 3000 französische Soldaten in Belgien interniert[3].

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I. „Es waren nicht die Nazis, es waren die Deutschen"
Die belgische Bevölkerung unter deutscher Besatzung 1914-1918

„Im Schlachtgetümmel des Weltkriegs" [4]
Die Gründe, die zum 1. Weltkrieg führten, und der eigentliche militärische Verlauf brauchen uns hier nicht zu beschäftigen. Deutschland stand vor dem politisch selbstverschuldeten Dilemma eines Zweifrontenkriegs. Der Anfang des Jahrhunderts vom damaligen Generalstabschef von Schliefen erarbeitete Plan sah den schnellen entscheidenden Schlag gegen Frankreich aus dem Norden über das neutrale Belgien vor, um nach gewonnenem Blitzkrieg mit der geballten Heeresmacht gegen Russland loszuschlagen.
Nachdem Luxemburg bereits in der Nacht vom 1. auf den 2. August von deutschen Truppen besetzt worden war, geschah der Einmarsch nach Belgien in den Morgenstunden des 4. Augusts. Die ersten Grenzverletzungen geschahen in Gemmenich, in der Nähe des Vierländerecks
[5] bei Aachen. Etwa 20 Berittenen folgte die Masse des 25. Aachener Infanterieregiments (Lützow). Belgisches Militär war erst an der Maas konzentriert, es blieb so den verdatterten belgischen Zöllnern nichts anderes übrig, als trotzig darauf hinzuweisen: „C'est la Belgique ici" [6].





Auch in Eupen und bei Malmedy, die damals noch zum Deutschen Reich gehörten, und durch Luxemburg wurde der völkerrechtswidrige Einmarsch vorangetragen, um möglichst bald nordfranzösisches Gebiet zu erreichen. Schon am gleichen Tag standen die deutsch
en Soldaten an der Maas bei Visé.

„Pardon wird nicht gegeben" [7]
Trotz nur vereinzelter Feindberührungen kam es schon bald zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung, die in den nächsten vier Wochen mehr als 6.000 völlig unschuldige Menschen [8] das Leben kosten sollten [9]. Bereits am 6. August wurde in Gemmenich der Junggeselle Joseph Beuven erschossen, sein Haus dem Erdboden gleichgemacht. Die einmarschierenden deutschen Truppen fühlten sich durch das demonstrative Heraushängen der belgischen Fahne provoziert [10]! Am Garnstock, nur wenige Meter von der preußischen Grenze bei Eupen entfernt, drangen am Abend des 7. Augusts Angehörige eines Hannoveraner Regiments in ein Kloster ein, aus dem man sie angeblich beschossen hatte. Hätte eine zufällig vorbeikommende Ordonanz aus dem nahen Eupen nicht die völlige Harmlosigkeit der Padres bescheinigt, so hätte sie auch ihre deutsche Staatsbürgerschaft nicht vor dem Erschießungstod gerettet [11].
In der Nacht vom 8. auf den 9. August wurden in Overoth und Baelen, nur zwei Kilometer von besagtem Kloster entfernt, 17 Zivilisten erschossen, darunter ein 13jähriges Mädchen, zwei Frauen von 24 und 62 Jahren und 13 Männer zwischen 30 und 68 Jahren [12].


Nachfolgende Bilder: "Visé, la première ville marthyr"











Die wüsten Ausschreitungen einer entfesselten deutschen Soldateska gegenüber der Zivilbevölkerung, hielten den ganzen August und auch zu Beginn des Septembers an. Massenexekutionen von Zivilisten waren an der Tagesordnung: Dörfer und
Städte wie Battice, Herve, Visé, Andenne, Tamines, Aerschot etc. wurden dem Erdboden gleich gemacht. Am bekanntesten sind die Vorkommnisse in Löwen: zwischen dem 25. und 28. August kamen dort nicht nur 209 Zivilpersonen zu Tode, sondern auch die weltberühmte Universitätsbibliothek wurde ein Raub der Flammen [13].

Das schlimmste deutsche Kriegsverbrechen im ersten Weltkrieg in Belgien fand wohl in Dinant an der Maas, knapp vor der französischen Grenze, statt. Dort wurden in der letzten Augustwoche 1914 von ca. 6.000 Einwohnern 671, darunter Säuglinge und Greise, von deutschen Soldaten ermordet und über etliche hundert in ein Lager bei Kassel verschleppt [14].


Inschrift: "Ehrfürchtiges Denkmal zur Erinnerung der Dinantaiser errichtet für die 674 unschuldigen Opfer, die dem Hass der Teutonen erlagen, 116 davon am 25. August 1914."



„Franctireurs“ und Heckenschützen
Warum nun dieses durch nichts zu rechtfertigende Vorgehen gegen die belgische Zivilbevölkerung insbesondere in den ersten Kriegswochen?
Schon in den ersten Augusttagen - Lüttich war gerade erst erreicht - berichtete die zensierte deutsche Presse über schlimmste Übergriffe von belgischen Zivilisten an deutschen Militärangehörigen: Soldaten, die zunächst bereitwillig Quartier gefunden hätten, sollen von hinterlistigen Belgiern in der Nacht ermordet und bestialisch verstümmelt worden sein. Die ganze Heimtücke der Belgier hätte sich aber insbesondere dahin offenbart, dass nicht uniformierte Personen aus Häusern und Hecken hinterrücks auf deutsche Soldaten geschossen hätten. Auch deutsche Geschäftsleute in den belgischen Großstädten und Urlauber in den Seebädern, wären von einem aufgebrachten Mob tätlich angegriffen und teilweise auch ermordet worden [15].

Tatsächlich kam der deutsche Vormarsch in den ersten Augusttagen in Belgien nicht so voran, wie es ein erfolgreiches Gelingen des Schliefenplans eigentlich vorsah. Das belgische Heer stellte sich zwar nicht zur offenen Feldschlacht, aber mit kleinen und schnellen mobilen Einheiten - oft mit Fahrrädern ausgerüstet - gelang es den Verteidigern, dem deutschen Heer durchaus erfolgreich schmerzhafte Nadelstiche zu verpassen und den Vormarsch erheblich zu verzögern. Solcherlei Angriffe geschahen oft in der Nacht und bei Dämmerung, der Feind war daher für die deutschen Soldaten meist nicht sichtba
r. Auch kam es vor, dass vorrückende deutsche Einheiten sich bei schlechten Sichtverhältnissen und Unkenntnis des Geländes gegenseitig beschossen.
Tatsächlich gab es bei den einrückenden Soldaten eine weit verbreitete Angst vor Partisanenüberfällen, die durch die obigen Presseberichte noch verstärkt wurden. Vielleicht stellten sich einzelne Soldaten aus einem gewissen Unrechtsbewusstsein heraus auch vor, dass Bürger eines kleinen überfallenen neutralen Lands mit der Wut der Verzweiflung einen übermächtigen Aggressor attackieren könnten. Der in Deutschland als V
olksheld verehrte Andreas Hof hatte ja 1809 in Tirol gegen die Franzosen schließlich nichts Anderes getan!
Und auch im deutsch-französischen Krieg 1870/71 hat es nach der Niederlage Napoleons und der Organisierung des Heeres der Republik Einheiten gegeben, die hinter den deutschen Linien, oft in Zivilkleidung oder kaum als Kriegs führend zu erkennen, einen partisanenähnlichen Kleinkrieg führten und als „Franktireurs“ [16] bezeichnet wurden.

Zeichnung von C. Röchling aus einem bekannten deutschen Standardwerk von T. H. Lindner "Der Krieg gegen Frankreich", Berlin 1895

War der Gegner, der vermeintlich geschossen hatte, nicht sichtbar, so wurden 1914 in Belgien Zivilisten verantwortlich gemacht. Oft wurden auch Schüsse gehört, die tatsächlich nie abgefeuert wurden, so aus dem Kloster am Garnstock bei Eupen [17]. Auslöser für das oben erwähnte Massaker in Overoth/Baelen soll eine umgestürzte Leiter gewesen sein, die mit lautem Knall zu Boden gegangen war [18]!
Teilweise wurden solche Massaker von der deutschen Militärführung in brutalster Art und Weise durchgeführt, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie von jeder oppositionellen Haltung gegenüber den Soldaten abzuhalten. Nahezu jeder Mann wurde für die Durchführung des Angriffsplans gebraucht, Besatzungen konnten nur schwach vor Ort bleiben!
Daher kam es auch oft zu Ausschreitungen in Orten, die ber
eits Etappe waren, etwa in Visé. Die Stadt war bereits am ersten Kriegstag erobert, wurde aber erst am 15. August in Brand geschossen [19]! Auch bei der deutschen Grenzbevölkerung zeigte die Franctireurspropaganda Wirkung: in Eupen verbreitete sich am 18. August 1914 wie ein Lauffeuer das Gerücht, im nahen belgischen Hertogenwald hätten sich 5.000 (! H. R.) belgische Freischärler versammelt, um die vom deutschen Militär fast gänzlich verlassene Stadt anzugreifen [20]. In einem Klima um sich greifender Panik [21], die auch den Stadtkommandanten erfasste, wurden unverzüglich Soldaten aus Aachen und vom nahen Grenzbahnhof Herbesthal nach Eupen verlegt. In der darauf folgenden Nacht fiel dann auch noch die Gasbeleuchtung aus, gegen Mitternacht wurde Alarm gegeben, aber keiner der (nicht existierenden) Franctireurs lies sich blicken!
Die Angstpsychose der Eupener Bevölkerung scheint begreiflich, sie hatte hautnah, teilweise durch eigenes Beobachten, teilweise durch Schilderungen, erfahren, was sich in allernächster Nachbarschaft abgespielt hatte. Auch die Hetzkampagne der deutschen Presse hatte wohl ihr Übriges getan, vielleicht gab es sogar ein gewisses Unrechtsbewusstsein, das die Angst vor Vergeltung noch zusätzlich steigerte!

Die Übergriffe an der Zivilbevölkerung in Belgien führten nicht nur zu wütenden Protesten der gegen Deutschland Krieg
führenden Nationen, sondern lösten auch einen Strom der Entrüstung in den neutralen Ländern, vor allem auch in den USA aus. Deutschland wurde das Recht abgesprochen, sich weiter als Kulturnation zu betrachten und wichtige Hilfskomitees zur Versorgung der belgischen Zivilbevölkerung - etwa die,Commission for Relief in Belgium“ unter Herbert C. Hoover, dem späteren US-Präsidenten - wurden gegründet.
Vor der Weltöffentlichkeit in die Defensive gedrängt versuchte die deutsche Reichsregierung 1915 in einem Weißbuch vornehmlich mit Zeugenaussagen deutscher Soldaten ihre These vom Franctireurkrieg am Beispiel der Vorkommnisse von Löwen, Dinant, Tamines und Aarschot zu belegen. Auch in der Weimarer Republik und gerade in der NS-Zeit wurde an dieser Vorstellung festgehalten: ein Eingeständnis deutscher Schuld hätte nach offizieller Ansicht einer gewünschten Revision des Versailler Vertrages zusätzlich im Weg gestanden [22].
Erst 1956 kam eine aus bekannten belgischen und deutschen Hochschullehrern gebildete Kommission zu dem Ergebnis, dass das deutsche Weisbuch und somit auch die auf ihm basierenden offiziösen deutschen Werke der Zwischenkriegszeit als ernst zu nehmende Quelle auszuscheiden hätte, „weil es in seinen Grundthesen unhaltbar und in zahlreichen der in ihm zusammengestellten Zeugenaussagen nachweislich anfechtbar sowie planmäßig verfälscht worden ist" [23].

Andererseits boten die deutschen Gräueltaten den Alliierten 1914/15 billige Argumentationsvorlagen für eine Propagandaattacke gegen den Feind: z.B. dienten während und nach dem Krieg in Massenauflagen erschienene preiswerte Broschüren weniger der Aufklärung als vielmehr der Belebung von Hassgefühlen
auf den Gegner [24]. Am 5. Dezember 1914 brachte die großformatige französische Wochenzeitschrift, „L' Illustration“ in der Heftmitte über eine Doppelseite eine Karikatur von F.M. Roganeau. Sie zeigt eine völlig verwüstete, teilweise noch brennende belgische Stadt mit einem Leichenberg in der Mitte, darüber einen mit der belgischen Fahne behängten Racheengel und trägt die Unterschrift „L'Holocauste“ [25]!


Weitere Unterdrückung der Zivilbevölkerung und Massenflucht
Die brutalen Übergriffe deutscher Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung führten vom ersten Kriegstag an zur Massenflucht in die benachbarten Niederlande. Nach dem Fall von Antwerpen im Oktober 1914, zählte man zeitweise eine Million Belgier in den Niederlanden. Die am 25. August 1914 eingesetzte Generalgouvernementsverwaltung in Brüssel versuchte mit allen Mitteln das illegale Überschreiten der Grenze zu verhindern. Landsturm bewachte scharf die Grenze. Es waren eben nicht nur alte und gebrechliche Leute, die in die Niederlande gingen, um dort interniert zu werden, sondern auch viele junge Männer, die weiter an die Front nach Flandern wollten. Auch für Spione, berufsmäßige Schmuggler, Kriegsgefangene und deutsche Deserteure, waren die neutralen Niederlande ein lohnendes Ziel. Bereits 1914 war deutscherseits an einem Abschnitt der Schweizer Grenze ein elektrischer Zaun installiert worden mit der Absicht, junge Elsässer, denen deutscher Patriotismus gänzlich abging, von einer Flucht in das Nachbarland abzuhalten.

Das erste elektrische Drahthindernis zwischen dem Südelsass (Mulhouse) und der Schweiz

Zu Beginn des Jahres 1915 beschloss die Generalgouvernementsverwaltung in Belgien eine ähnliche Sperre an der Grenze zu den Niederlanden zu errichten [26]. Baubeginn war im April 1915, am 23. August wurden die ersten 18 Kilometer von Aachen aus Richtung Maas in Betrieb genommen, wenige Wochen später war die ganze Anlage in Betrieb. Vorsichtigen Schätzungen nach, hat der Todesdraht, dessen Spannung zwischen 500 und 2.000 Volt variiert werden konnte, mindestens 3.000 Menschen das Leben gekostet. Die lebendig aufgegriffenen Grenzverletzer, die dann später andernorts hingerichtet wurden, nicht mitgerechnet [27]. Für die Grenzgemeinde Gemmenich sind für die Zeit vom Januar 1916 bis zum September 1918 18 Tote nachgewiesen, darunter 16 russische Kriegsgefangene [28], die unter erbärmlichsten Umständen beim Bau der strategisch ungemein wichtigen Eisenbahnlinie von Aachen über Gemmenich, Visé nach Tongeren eingesetzt waren [29].

Elektrozaun bei Beusdael
Opfer im Elektrozaun
Flucht über den Elektrozaun


Auch in den nachfolgenden Jahren war das Besatzungsregime für die Zivilbevölkerung äußerst hart [30]. Bereits im Herbst 1914 wurde dem Land - völkerrechtswidrig - eine Kontribution von 40 Millionen Franken auferlegt, erhöht im November 1916 auf 50 und im Mai 1917 schließlich auf 60 Millionen [31]. Nachdem es den deutschen Behörden nicht gelungen war, nennenswert freiwillige Arbeitskräfte aus Belgien nach Deutschland zu vermitteln, wurde ab Oktober 1916 zur Zwangseinberufung von Arbeitskräften übergegangen [32]. Oft in ungeheizten Viehwaggons wurden bis Februar 1917 ca. 60.000 Belgier nach Deutschland verfrachtet. Dort kamen sie in sog. Verteilungsstellen, die Kriegs- oder Zivilgefangenenlagern angegliedert waren, wobei die verantwortlichen Stellen großen Wert darauf legten, dass diese Lager in der Öffentlichkeit nicht als Konzentrationslager bezeichnet wurden [33]. In Belgien führten diese Maßnahmen zu einer weiteren Steigerung der Wut der Bevölkerung und der mutige Primas von Belgien Kardinal Mercier [34], unterließ es auch in dieser Angelegenheit nicht, der Besatzungsmacht klar und deutlich seine Meinung zu sagen. Die scharfen Proteste insbesondere aus dem neutralen Ausland, führten schließlich dazu, dass die Deportationen aus dem Generalgouvernement im Februar 1917, aber nicht aus dem von der Heeresleitung direkt kontrollierten Etappengebiet Ostflandern und dem Frontgebiet Westflandern eingestellt wurden.
Eine wohlwollende Förderung seitens der Besatzungsmacht genossen flämische Kreise, die sich für eine Loslösung von Belgien aussprachen. Diese Kollaborateure waren deutscherseits als Bündnispartner bei einer politischen Nachkriegslösung vorgesehen.


Von der Flandernfront die vollständig zerstörte Tuchhalle in Ipern. Heute befindet sich hier das Flandernfieldsmuseum.



II. Belgien in der Zwischenkriegszeit
Der Versailler Vertrag

Die Deutschland hart erscheinenden Bedingungen des Versailler Vertrags, wurden nicht zuletzt mit der deutschen „Schuld am Kriege“ und der „Schuld im Kriege“ auch in einer Mantelnote des französischen Ministerpräsidenten Clemenceau begründet, wobei neben dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg und den deutschen Verwüstungen in Nordfrankreich zu Kriegsende, namentlich die deutschen Kriegsverbrechen in Belgien aufgeführt wurden [35].
Eine Folge des verlorenen Krieges war, dass Deutschland laut Artikel 32, 33 und 34 des Versailler Vertrags nach Volksbefragung zugunsten Belgiens auf die Gebiete von Eupen, Malmedy und Moresnet verzichten musste, die allerdings erst 1815 Preußen zugesprochen worden waren und vorher einen Teil der südlichen Niederlande ausmachten.
Über die vom Völkerbund in Auftrag gegebene, aber unter
belgischer Hoheit durchgeführten „Volksbefragung“ in den beiden Grenzkreisen ist viel geschrieben und oft kritisiert worden [36].
Die Frage einer Rückgliederung an das Reich beschäftigte die Einwohner Eupen-Malmedys in den Jahren von 1920-1940 in erheblichem Maße und wie noch darzustellen ist, gelang es insbesondere nach 1933 den Nationalsozialisten, diese Stimmung in Neubelgien in ihrem Sinn zu instrumentalisieren und ihr unter dem Deckmantel der „Heimattreuen Front“ auch einen organisatorischen Rahmen zu geben.

Durch die Kriegsereignisse war
auch das ehemalige neutrale Statut Belgiens hinfällig geworden [37]. 1920 schloss das Land ein Verteidigungsbündnis mit
Frankreich ab.

Ab dem 17. November 1918 waren belgische Einheiten als Besatzungstruppen in
Aachen und Umgebung stationiert, im Januar
1923 beteiligte sich Belgien an der Ruhrbesetzung. Nicht zuletzt unter dem Eindruck des Einmarschs der neuen Wehrmacht in das entmilitarisierte Rheinland am 7. März 1936 und dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, kam es zu einer neuerlichen Revision der belgischen Außenpolitik [38]: Belgien kehrte zur Vorkriegsneutralität zurück und suchte Schutz im Aufbau eigener starker Streitkräfte. Auch Deutschland sicherte 1937 die Achtung der belgischen Neutralität zu. Belgien seinerseits wollte durch weitestgehendes Wohlwollen der Reichsregierung jeden Vorwand für Einmischungen in belgische Angelegenheiten nehmen. Augenscheinlich wurde dies z.B. in der Haltung gegenüber den jüdischen Flüchtlingen, die von Deutschland aus nach Belgien vermehrt seit dem Frühjahr 1937 in eine vermeintliche Sicherheit strebten und deren Schicksal weiter unten ebenfalls dargestellt werden soll.


Nationalhelden und Patriotismus 1918 -1940
Am 28. August 1919 wurde Netty Bütz nur wenige hundert Meter vom ehemaligen Vierländereck, das sich nunmehr auf ein Dreiländereck reduziert hatte, in Gemmenich geboren [39]. Bald kannte das aufgeweckte junge Mädchen jeden Baum und Strauch auf der belgischen und niederländischen Seite der Grenze - deutschen Boden betraten die Kinder nie, dort war es ihnen unheimlich. Noch vor ihrer Schulzeit bekam Netty aus Erzählungen von Erwachsenen mit, was sich in Gemmenich vor nur wenigen Jahren ereignet hatte. Sie hörte von der Erschießung Joseph Beuvens durch deutsche Soldaten, von der Panik in ihrem Dorf im August 1914 und davon, dass schließlich fast die gesamte Einwohnerschaft in die nahen Niederlande geflohen war. Auch vom „elektrischen Draht“, der nahe am Dorf vorbeilief und vielen den Tod, andere junge Männer aber auch nach Flandern an die Front brachte, erfuhr sie. In anderen Erzählungen wurde das Schicksal der russischen Kriegsgefangenen thematisiert, die im Nachbardorf unter unwürdigsten Bedingungen dahinvegetiert hatten und für die Besatzer das größte Eisenbahnviadukt Belgiens bauen mussten. In den Häusern sah sie die Fotos der völlig zerstörten flämischen Städte.

Aber ganz besonders beeindruckt hatte Netty die Geschichte von Gabrielle Petit, der „L'Heroine Nationale" [40], jener jugendlichen Meisterspionin aus Tournai, die in Leutnantsuniform bei deutschen Stäben und Einheiten unentdeckt verkehrte, mehr als zwanzigmal den Elektrozaun überwand und ihre Erkenntnisse auch nach England brachte. Von der deutschen Gegenspionage am 20. Januar 1916 in Brüssel verhaftet, am 3. März zum Tode verurteilt, wurde sie am 1. April 1916, gerade 23jährig, auf dem nationalen Schießplatz exekutiert. Netty beschloss einmal zu werden wie Gabrielle Petit [41]!

Am 10. April 1923 wurde François Wolgarten geboren [42]. Sein Vater kam aus Welkenraedt, dem Ort, wo sich bis 1918 der belgische Grenzbahnhof gegenüber Preußen befand. Sein Vater hatte 1916 über die Niederlande und Großbritannien die Front in Flandern erreicht. Er hatte nördlich von Aachen, von deutschem Staatsgebiet aus, die Niederlande betreten, denn dort markierte nur ein einfacher Stacheldraht die Grenze zwischen den beiden Ländern. Ein jüngerer Bruder des Vaters versuchte eine Woche später ebenfalls zu fliehen: er starb im Elektrozaun. Die Familie hatte in der Zwischenkriegszeit verwandtschaftliche Beziehungen in den Aachener Raum. Durch Besuche im Reich erkannte der aufgeweckte Junge frühzeitig das verbrecherische System des Nazismus; der Onkel, der sich mit den braunen Machthabern anlegte, landete in einem Konzentrationslager. Auch im elterlichen Haus waren Nazi-Gegner zu Besuch. Im „guten Zimmer“ wurden 1938/39 auch Flüchtlinge aus Deutschland untergebracht.

Durch die Erzählungen über die Schrecken des Kriegs im Verwandten- und Bekanntenkreis, durch die herausragende Behandlung des Themas in der Schule, entwickelte sich bei vielen belgischen Jugendlichen in der Zwischenkriegszeit ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Patriotismus, der teilweise dann nach 1940 Wirkung zeigte. Dazu trug auch die Wahrnehmung der zahlreichen Denkmäler bei, die nicht nur an die toten Soldaten, sondern auch in vielen Dörfern und Städten an die ermordeten Zivilpersonen bis heute erinnern. Weniger verbreitet als im französischsprachigen Landesteil, war dieser Patriotismus aber in Flandern: dort ging zusehends die Saat auf, die die Deutschen im Ersten Weltkrieg mit der Förderung von Nationalismus und Separatismus gelegt hatten.
Bei vielen Einwohnern des Gebiets von Eupen-Malmedy stieß der Versuch weitestgehender Belgisierung allerdings auf strikte Ablehnung. Viele Menschen empfanden dies als eine Art Vergewaltigung, in ihrem Sinnen und Trachten fühlten sie sich weiterhin Deutschland eng verbunden. Bewusste Peinlichkeiten förderten eine solche Haltung noch. In der Gemeinde Raeren etwa wurde ein Denkmal für die Gefallen errichtet, das einen um seine Kameraden trauernden Krieger - bis heute - in belgischer Uniform zeigt, dies obwohl die Raerener als preußische Staatsbürger in Feldgrau im 1. Weltkrieg ihr Leben ließen!

Der historische Faschismus in Belgien in den 30ger Jahren
Eine einheitliche faschistische Bewegung hat es in Belgien, auch in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, anders als etwa in Deutschland und Italien, nie gegeben. Das bedeutet aber nicht, dass Belgien von der Geißel des Faschismus verschont geblieben wäre. Was hier nur nochmals betont werden soll: Belgien besteht aus verschiedenen Landesteilen mit unterschiedlichen Sprachen, ökonomischen Entwicklungen und Lebensgewohnheiten. In all diesen Regionen gab es früher faschistische und gibt es heute oft neofaschistische Organisationen und Gruppen, die aber weitestgehend unabhängig voneinander und unter den jeweils speziellen Bedingungen entstanden sind. Ideologisch war und ist es nicht zuletzt das Verhältnis zum belgischen Nationalstaat, das früher faschistische und heute neofaschistische Organisationen in einzelnen Landesteilen scharf voneinander abhob und abhebt.

Die Rex-Bewegung Leon Degrelles [43]
Zu benennen ist hier zunächst und vor allem die so genannte Rex Bewegung Leon Degrelles, eine Bewegung, die aus der katholischen Union, der katholischen Partei also, heraus entstand.
Der politische Katholizismus in Belgien befand sich in den dreißiger Jahren in einer ernsten Krise. Die belgischen Katholiken hatten die Empörung des gesamten konservativen Europas 1830 heraufbeschworen, als sie sich mit den „roten“ Liberalen verbündeten und die Loslösung von den Niederlanden ertrotzen konnten. Die Partei wurde zu einer der staatstragenden Kräfte in Belgien. Nicht zuletzt der Zusammenschluss mit den Sozialisten in der Regierung in den zwanziger Jahren, sondern schließlich auch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Belgien, sowie auch der Streit zwischen Flamen und Wallonen, führten in der katholischen Partei zunehmend zu Verfallserscheinungen und Spannungen.
In der Jugend der Partei machten sich starke Strömungen bemerkbar, die auf eine gründliche Erneuerung der Partei drängten. Die innerparteiliche Opposition der Jungen gruppierte sich um das 1930 in Löwen gegründete Verlagshaus Rex. An der Spitze des Verlags stand der vormalige Jura-Student Leon Degrelle, geboren 1906 in Bouillon in den Ardennen.
Der Name Rex sollte Programm sein: der Verlag beabsichtigte dazu beizutragen, das „Königtum Christi“ wiederherzustellen. Er gab eine Anzahl von Schriften heraus, die sich an alle Teile des Volkes richteten. Die Rex-Bewegung sah zunächst ihr Hauptanliegen im Kampf gegen die Korruption, in der Aufdeckung der Zusammenhänge zwischen Finanzwelt und Politik, wobei ihr bei dieser Agitation die enormen journalistischen und rednerischen Talente Degrelles sehr von Nutzen waren. Bei der Kritik wurde durchaus auch vor der eigenen Partei, der katholischen Union, nicht halt gemacht.
1934 sprach Degrelle innerhalb eines Jahres in nicht weniger als 300 Versammlungen. Am 1. Mai 1935 hatte er im Brüsseler Cirque-Royal sogar 5.000 Zuhörer. Die Attraktivität dieser Bewegung wuchs ständig. Verschiedne Gruppen junger Katholiken schlossen sich ihr an. So etwa ein Kreis um die „Autorité“, die in der Philosophie von Charles Maurras und der „Action Française“ ihre Grundlage sah. Anhänger der „Action démocratique“, die sich auf die Gedanken von Marc Sagnier stützten, gesellten sich ebenfalls zu Rex.
Der Eklat mit der Mutterpartei war vorgezeichnet: in der Hauptversammlung der katholischen Partei in Courtrai 1935 leistete sich Degrelle heftige Ausfälle auch gegen führende Männer in der eigenen Partei. Die Bewegung war aber nunmehr so stark, dass sie auch außerhalb der katholischen Union bestehen konnte.
Bei den Kammerwahlen am 24. Mai 1936 gelang es Rex sensationell auf Anhieb 21 von 200 Sitzen zu erlangen, dies obschon das belgische Episkopat sich geschlossen gegen diese Bewegung ausgesprochen hatte. Rex sah nun sein vornehmliches Ziel in einer Eroberung der katholischen Partei und ihrer Erneuerung an Haupt und Gliedern. Dies wäre die Voraussetzung, um Belgien retten zu können.

Programmatik
Ein Parteiprogramm sucht man bei Rex in den Jahren 1935/36 vergeblich. Wie bei anderen faschistischen Bewegungen auch, waren solcherlei Aussagen von Rex eher eine Art Warenhauskatalog, aus dem sich jeder das, was er gerne hören wollte, selbst heraussuchen konnte. Das Wenige, was sich damals an programmatischen Aussagen bei Rex fand, war dann auch noch so biegsam gefasst, dass es jeweils den Verhältnissen angepasst werden konnte. Demnach lässt sich aber festhalten: Rex erstrebte damals eine Revolution, eine „Revolution der Geister“, die, wie es in Veröffentlichungen hieß, eine „Revolution auf christlicher Grundlage“ sein sollte. Diese sollte ohne Gewalt durchgeführt werden und sich auf eine genügende Einstimmigkeit des souveränen Volkes begründen können.
Degrelle ging wohl zumindest damals noch davon aus, dass es in Belgien weniger möglich war als anderswo, Gedanken durch Terror durchzusetzen. Losungsspruch von Rex war „das Heil des Volkes durch die Erweckung seiner Tugenden“.

Ganz im Sinne anderer faschistischer Bewegungen auch, erklärte sich Rex gegen den „Überkapitalismus“, aber natürlich auch gegen den Sozialismus. Der Marxismus jeglicher Ausprägung sollte zerschlagen werden. Obwohl Rex aus einer so genannten christlichen Erneuerungsbewegung entstanden war, sprach man sich jedoch ebenfalls gegen eine „Diktatur der Sakristei“ aus, d. h. man wollte keine Beteiligung der kirchlichen Gewalt an der bürgerlichen haben. Eine Vermengung der beiden Einflussbereiche sollte nicht stattfinden. Rex wollte aber der katholischen Religion die Achtung wieder verschaffen, die ihr als der vermeintlich „größten moralischen Macht“ der Welt zukäme.
Die päpstliche Autorität wurde von Rex uneingeschränkt anerkannt. Die Bewegung gab sich damals noch nicht ausgesprochen antiparlamentarisch, forderte aber eine gründliche Erneuerung des Systems. Sie warf der parlamentarischen Demokratie vor, ihren Rahmen verlassen und sich angemaßt zu haben zu regieren, was aber allein Sache der ausübenden Gewalt sei. Das Parlament habe sich darauf zu beschränken, die Politik der Regierung zu beaufsichtigen sowie Steuergesetze und Haushalte zu erörtern.
Als Keimzelle des Staates sollte die „Familie als wirklich lebendiges Wesen“ anerkannt werden. Der Staat müsste dafür sorgen, dass der Familie das Existenzminimum gesichert werde. Um die Familie zu schützen, müsste die Unmoral mit allen Mitteln und auf allen Gebieten bekämpft werden.
Schwammig und wenig konkret waren auch Aussagen, wie Rex den Missbrauch des Reichtums unterdrücken und die Einführung eines korporativen Regimes, das auf das gemeinsame Wohl hingerichtet sei, verwirklichen wollte. Am Ende sollte dann die Schaffung einer besseren Gesellschaft stehen.
Rex entfaltete rege propagandistische Aktivitäten. Gerade die Versammlungen mit Leon Degrelle erfreuten sich großer Beliebtheit, dass es dabei auch zu Auseinandersetzungen mit Sozialisten und Kommunisten kam, lag in der Natur der Sache.
Der Wahlerfolg von Rex im Mai 1936 rückte Degrelle und seine Bewegung für Monate in das Licht der belgischen und europäischen Öffentlichkeit. Zusehends unverhohlener stellte er seine Sympathien für Mussolini heraus; von den vormaligen konservativen Wurzeln grenzte man sich zusehends stärker ab. Hauptanliegen war nun vor allem die „Eliminierung des Marxismus in Belgien“.

Die „Légion Nationale Belge“ (L.N.)
Diese Organisation war in Auftritt und Programm völlig auf die faschistische Bewegung Italiens ausgerichtet und damit bis zur Annäherung Hitlers und Mussolinis 1936/37 Deutschland gegenüber zumindest distanziert eingestellt.
Die L.N. erregte nicht unerhebliches Aufsehen, als sie in brauner Hose und blauem Hemd z.B. in Eupen 1934 vor den Kirchen Flugblätter verteilten. In diesem Propagandamaterial bezeichneten sie sich auch selbst offen als Faschisten. Programmatisch traten sie für eine Abschaffung der als überholt angesehenen Parteien und für die Errichtung eines korporativen Staatssystems unter Führung des Königs ein.
Zumindest im verbalen Antisemitismus übertraf die Legion schon 1934 das italienische Vorbild. In Flugblättern wurde an exponierter Stelle gefordert, den nach Belgien emigrierten Juden den Prozess zu machen.

Der flämische Faschismus
Die Positionen des extremsten, offen faschistischen Flügels des flämischen Nationalismus standen den Ansichten, etwa von Rex, in vielem konträr gegenüber. Nach der Vorstellung des 1931 gegründeten „Verbond van dietsche Nationalsolidaristen“ (Verdinaso), an dessen Spitze Joris van Severen stand, war das Ziel nicht den belgische Staat zu erneuern, sondern diesen ganz im Gegenteil zu Gunsten eines groß-niederländischen Reiches zu zerstören. Die These von der Volks- und Rassengemeinschaft über Staatsgrenzen hinweg, zeigte von Anfang an deutliche Affinitäten zum deutschen Nationalsozialismus. Ähnlich wie die NSDAP verfügte auch diese Bewegung über Uniformen, über eine eigene Miliz, Standarten und Musikkapellen.
Trotz der engen Geistesverwandtschaft zur flämischen Bewegung, gab es vor der Besatzungszeit keine offiziellen Kontakte von deutscher Seite dorthin, gerade nach der wiedererklärten belgischen Neutralität wollte sich das Reich keine Einmischung in die inneren Verhältnisse Belgiens nachsagen lassen [44].
1940, nach der Besetzung Belgiens durch Deutschland und dem Tode Joris van Severens schloss sich die Mehrzahl der Mitglieder der „Verdinaso“ wieder dem Flämischen Nationalverband (VNV) unter Staf de Clercq an, der aber nunmehr völlig auf Deutschland ausgerichtet war und Hitler als Führer aller Germanen anerkannte.

Der Revisionismus im Gebiet von Eupen-Malmedy
Bis 1925 hatten die neubelgischen Kreise Eupen-Malmedy unter dem Sonderregime des Generalleutnants Baltia gestanden [45], der seinen Regierungssitz in Malmedy genommen hatte und weitestgehend selbständig die Eingliederung des Gebiets an Belgien vollzog. 1925 konnten die „Neubelgier“ erstmals an Wahlen zur belgischen Kammer teilnehmen. Bereits im Vorfeld der Wahlen war die Frage aufgetaucht, ob in Anlehnung an die Zentrumspartei, die hier vor der Umwälzung der politischen Verhältnisse bei Reichstagswahlen fast monopolartig dominierte, eine neue Bewegung zu gründen wäre, oder ob sich die katholische Wählerschaft zu der diesbezüglichen belgischen Partei orientieren sollte. Schließlich wurde das Letztere realisiert. Bei den Wahlen am 5.4.1925 erhielt die Katholische Union im Gebiet von Eupen-Malmedy zwei Drittel der abgegebenen Wählerstimmen, aber auch die Sozialisten, die sich vorbehaltlos für das Selbstbestimmungsrecht auch im neubelgischen Gebiet einsetzten, kamen auf ein Viertel der Stimmen. Aus Enttäuschung über die Haltung der Katholischen Union in dieser Frage, kam es dann 1929 vor den Kammerwahlen doch noch zur Gründung einer „Christlichen Volkspartei“ (CVP), die den revisionistischen Gedanken einer Rückgliederung des Gebiets an Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Wahlagitation stellte. Während die Sozialisten ihren Wähleranteil in etwa halten konnten, erlebte die Katholische Union ihr Fiasko und sank unter knapp 20%; die neu gegründete CVP erhielt auf Anhieb 52%.

CVP und Nationalsozialismus
Auch die CVP-Führer schienen zunächst entsetzt gewesen zu sein über die Zustände in Deutschland nach der Machtübernahme durch die Hitlerfaschisten. Insbesondere Katholikenverfolgung und Zentrumsauflösung sorgten hier für Aufregung. Nach Abschluss des Konkordats jedoch wurde die Haltung der CVP-Führer zum Dritten Reich zusehends freundlicher.
Die Anpassung der CVP an die neuen Verhältnisse in Deutschland erreichte bereits im September 1933 einen ersten Höhepunkt als deren Führer Joseph Dehottay von Hitler in Berlin empfangen wurde. Letztlich ging der Wandel so weit, dass man sogar Artikel in der CVP-Presse lesen konnte, die Informationen über Terror und Unterdrückung im Dritten Reich lächerlich machten und als Gräuelmärchen abtaten. Die Verhältnisse im Dritten Reich wurden nunmehr als Vorbild für andere Länder hingestellt, in denen man sich nach Ruhe und Ordnung sehne.
Für die neubelgischen Sozialisten stand nunmehr fest, dass die CVP nur noch eine Filiale der NSDAP in Belgien war.

Die Gründung der „Heimattreuen Front“
Erst nach der „Machtergreifung“ in Deutschland hatte sich in Eupen um den reichsdeutschen Arzt Dr. Paul Dohmen ein lose gefügter Kreis von überzeugten Nationalsozialisten begründet, der immerhin nach einem Jahr 150 Mitglieder vermeldete. Aus Gründen der Konspiration nannte man sich „Verein für Natur und Heimatkunde“, dies um den belgischen Behörden keinen Grund zum Einschreiten zu geben. An der Spitze des Vereins stand einer der glühendsten Vertreter nationalsozialistischer Ideen in Eupen, der Gärtner Josef Kerres. Der Verein wurde schließlich nach Ankauf eines Segelflugzeuges in „Segelfliegerverein“ umbenannt. Ähnliche Organisationen wurden als Ableger in Malmedy und St. Vith unter den Firmen „Saalschutz“ und „Bogenschützengesellschaft“ gegründet. Nach außen gut getarnt waren diese Vereine im Innern aufgebaut wie die SA im Dritten Reich. 1935 kam es im Wahlkampf zur Gründung einer „Heimattreuen Front“ (H.F.) die aus den militanten Nazis, in der Masse aber aus Mitgliedern und Führern der vormaligen CVP bestand. Einige Sozialisten, die die ablehnende Haltung ihrer Partei gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland nicht mittragen wollten, traten ebenfalls zur „Heimattreuen Front“ über. In der Stadt Eupen, wo die CVP bisher 8 von 13 Stadtverordneten stellte, fanden auch diese zur „Heimattreuen Front“. Die „Heimattreue Front“ war keine eigenständige Partei, sondern vollständig von der NSDAP gleichgeschaltet und von der Gauleitung in Köln kontrolliert. Alle Untergliederungen der Nazi-Partei und die im Reich gleichgeschalteten Organisationen waren auch hier vorhanden, agierten aber unter Tarnnamen. Der Kyffhäuserbund etwa, der die Weltkriegsteilnehmer bündelte, firmierte in Eupen unter „Kameradschaftliche Vereinigung“, der BDM segelte unter dem Namen „Wandergruppe frohe Mädel“. Für den Fall eines Verbots der HF durch die belgischen Behörden, stand als Ersatzorganisation der so genannte Heimatbund bereit [46].

Fluchtbewegungen über die belgisch-deutsche Grenze bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs [47]
Erste organisierte Fluchtbewegungen nach Belgien waren bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Frühjahr/Sommer 1933 zu verzeichnen. Hier waren vor allem Leute betroffen, die als Anhänger der Linksparteien in Deutschland verfolgt wurden. Im Raum Aachen/Eupen wurden in dieser Zeit insbesondere Sozialdemokraten über die Grenze gebracht. Erleichtert wurde diese Arbeit durch die persönlichen und familiären Kontakte, die der Begründer und Leiter der Eupener Sozialisten Karl Weiss auf der anderen Seite der Grenze hatte. Bei der Rückkehr brachten dann die Begleiter der Flüchtlinge illegales, in Belgien gedrucktes sozialdemokratisches Propagandamaterial - etwa die „Sozialistische Aktion“ - mit über die Grenze in das Reich.

Die illegale jüdische Einwanderung nach Belgien nahm mit der sich verschärfenden Repression gegen Angehörige dieser Volksgruppe in Deutschland im Lauf der Jahre bis zum Krieg ständig zu. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Fluchtbewegung nicht nach der Pogromnacht, sondern bereits nach dem so genannten „Anschluss“ Österreichs im März 1938: das Vorgehen der Nazis gerade gegen die Juden in Wien nahm schon vieles von dem voraus, was wenige Monate später im gesamten Reichsgebiet geschehen sollte [48].

In der Eifel waren es damals vielfach Arbeiter, die beim Westwallbau beschäftigt waren, die Juden in Tankwagen versteckten und bis zum Grenzgraben brachten. Dort wurden diese von Belgiern - oft professionellen Schmugglern - übernommen und weitergeführt. Wichtig war es, durch die erste Grenzzone zu kommen, denn wer innerhalb von 5 oder 10 Kilometern aufgegriffen wurde, wurde von der belgischen Gendarmerie zumeist ohne Pardon an die deutschen Behörden zurück überstellt: ein bewusstes Entgegenkommen der belgischen Seite gegenüber dem übermächtigen Nachbarn im Osten. Nach Überwinden der Grenzzone, etwa in Spa-Malmedy, konnten diese Personen dagegen nicht mehr ohne weiteres zurückgeschickt werden.
Fluchthilfe geschah sowohl aus christlicher oder humanistischer Überzeugung als auch zum reinen Geldverdienst. Flüchtlinge wurden teilweise nahezu wörtlich bis auf die Hemden ausgeplündert, Summen von tausend Mark pro Person scheinen keine Seltenheit gewesen zu sein. Nur wenige Flüchtlinge zogen es übrigens vor, im neubelgischen Gebiet von Eupen-Malmedy zu bleiben, obwohl natürlich von der Sprache her die Verständigung einfacher gewesen wäre. Aber ein vielfach beklagtes antisemitisches Klima ließ ein längeres Verweilen hier nicht angeraten erscheinen. Viele Flüchtlinge gaben damals an, auch nicht in Belgien bleiben zu wollen, sondern möglich schnell irgendwie nach Übersee zu gelangen.

Nach der so genannten Reichskristallnacht wurden die Zustände an der Grenze natürlich katastrophal. Es gab Menschen, die offiziell das Dritte Reich nach Genehmigung durch die deutschen Behörden und natürlich unter Zurücklassen ihres gesamten Vermögens verlassen durften. Viele jüdische Deutsche versuchten, auf ihrer Flucht illegal Geld und Schmuck über die Grenze ins Ausland zu bringen, um sich zumindest einen neuen bescheidenen Anfang leisten zu können. Es gelang aber den deutschen Nazischergen, nicht unerhebliche Mengen an Bargeld und Vermögenswerten in Zugabteilen zu entdecken, die dann zu Gunsten des Dritten Reiches eingezogen wurden.
Unglaubliche Szenen spielten sich ab, wie auch das Eupener Grenz-Echo zu berichten wusste: Deutsche Zollbeamte entdeckten im Straßengraben versteckte Juden, die dann festgenommen wurden.
Menschen, die beim heimlichen Grenzübertritt ergriffen wurden, versuchten es erneut und wurden wiederum abgeschoben. Um nicht noch mal den Nazibehörden übergeben zu werden, nahmen sogar Flüchtlinge Verbrechen
auf sich, die sie angeblich in Belgien begangen hatten, um dort bleiben zu können.

Im November 1938 griff die Gendarmerie in Raeren fünf jüdische Bürger aus Deutschland auf, die keinerlei Barmittel bei sich hatten und die man seitens der Deutschen einfach über die Grenze abgeschoben hatte; auch sie wurden zurückgeschickt. Es schien sogar System dahinter zu stecken, dass die deutschen Behörden absolut mittellose Juden zur Grenze führten und sie dort ihrem Schicksal überließen. Wie Stückgut wurden sie dann hin und her geschoben.
Ebenfalls Ende November fand eine Gendarmeriestreife einen 27-jährigen jüdischen Flüchtling in völlig erschöpftem Zustand mit eiternder Kopfwunde im Straßengraben bei Raeren liegen. Er hatte bereits einen Selbstmordversuch unternommen, um seinem schrecklichen Leiden ein Ende zu machen.

So ging es Woche für Woche weiter: kurz vor Sylvester 1938 wurden alleine in einer Nacht bei Eisenborn in der Eifel 35 Juden beim illegalen Grenzübertritt von der Gendarmerie erwischt und wieder zurückgeschickt. Ein weiteres trauriges Kapitel ist das Schicksal jüdischer Kinder, die ohne ihre Eltern über die Grenze geschoben wurden. Zwar hatte Belgien bereits Mitte November 1938 versprochen, jüdische Kinder aufzunehmen, aber noch im Januar 1939 wurden fünf jüdische Kinder, die mit einem Zug aus Aachen auf dem Bahnhof in Herbesthal angekommen waren, nach einer Speisung entsprechend den von oben ergangenen Weisungen wieder über die Grenze zurückgeschickt. Begründung für diesen Akt seitens der belgischen Regierung war die Vermutung, dass man die Kinder nur verschickte, damit die Eltern nachkommen konnten. Schließlich gestattete dann der Justizminister die Einreise von 200 jüdischen Kindern.


III. Unter dem Hakenkreuz: Belgien im 2. Weltkrieg
Der 10. Mai 1940 im Grenzland
In den Morgenstunden des 10. Mai 1940 begann der deutsche Westfeldzug und die Wehrmacht marschierte auch in Belgien ein [49]. Zu den einrückenden Soldaten gehörte eine ganze Anzahl junger Burschen aus Eupen-Malmedy, die im Herbst Winter 1939/40 aus der belgischen Armee desertiert, nunmehr in feldgrauer Uniform ihre Heimat betraten [50]. Im Gebiet von Eupen-Malmedy [51] standen viele Menschen an der Straße und jubelten den deutschen Soldaten als vermeintlichen Befreiern zu, Erfrischungsgetränke wurden gereicht, vor dem Eupener Rathaus versammelten sich Kinder und Jugendliche um die Ankömmlinge zu begrüßen und die Eupener Feuerwehr hisste dort die Hakenkreuzfahne [52]. Menschen mit differenzierterer Haltung hielten sich zurück, engagierte Demokraten, Nazigegner und Probelgier hatten sich teilweise davor gewarnt - auf die Flucht nach Innerbelgien begeben. In Eupen nahm ein selbsternannter Ordnungsdienst, der sich aus Mitgliedern der „heimattreuen“ Organisation zusammensetzte, Polizeiaufgaben wahr und verhaftete Personen, die antinazistisch eingestellt waren [53], was einigen Betroffenen nachher den Tod brachte [54].

Bereits am 18. Mai 1940, noch vor der belgischen Kapitulation waren durch Erlass des Führers und Reichskanzlers die Gebiete von Eupen, Malmedy und Moresnet mit dem Deutschen Reich wiedervereinigt worden - hinzu kamen schließlich noch 10 belgische Gemeinden, die nie zu Deutschland gehört hatten, wo die Bevölkerung aber einen plattdeutschen Dialekt sprach.

Der Achtzehntagekrieg
Dem weitgehenden Jubel im deutschsprachigen Gebiet entsprach Panik und Angst in fast ganz Innerbelgien. Zu präsent waren der Bevölkerung noch die Ereignisse aus dem 1. Weltkrieg. Augenscheinlich wurde dies z.B. an der alten deutsch-belgischen Grenze, wie sie bis zum Versailler Vertrag bestanden hatte: während in Herbesthal die Soldaten mit Kaffee und Kuchen empfangen und die Pferde getränkt wurden, waren auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Welkenraedt die Fensterläden verrammelt und große Teile der Bevölkerung auf der Flucht. Städte wie Verviers waren menschenleer. Nach späteren Angaben der deutschen Militärverwaltung waren in den ersten Kriegstagen mindestens 2,5 Millionen Zivilisten, zwischen ein Viertel und ein Drittel der Gesamtbevölkerung, vor den vorrückenden Deutschen davongelaufen [55].

1940 lebten in Belgien 115.000 Juden [56], die meisten waren erst kurz im Land und nur einige Tausend besaßen die belgische Staatsangehörigkeit [57]. 45.000 von ihnen waren nach dem 10. Mai auf der Flucht zumeist Richtung Frankreich.
Noch am Tag des Überfalls hatte die belgische Regierung zudem ein Ausnahmegesetz vom 10.10.1916 in Kraft gesetzt, das die Verhaftung in- und ausländischer Staatsfeinde vorsah. Nach diesem Gesetz wurden schließlich nicht nur 4.000 flämische und wallonische Faschisten, sondern auch 6.000 jüdische Emigranten verhaftet und im Verlauf der Kriegsereignisse Richtung Frankreich abgeschoben [58]. Unter diesen Menschen befand sich auch Horst Naftaniel aus Berlin, der schließlich, wie durch ein Wunder Auschwitz-Monowitz überleben und in Eupen sesshaft werden sollte [59].

Die Lage im Mai war völlig katastrophal. Die Straßen waren verstopft, Truppen wollten in die eine, Flüchtlinge in die andere Richtung und darüber deutsche Sturzkampfbomber. Einem Teil der Flüchtlinge gelang es über die französische Grenze zu kommen, andere wurden zurückgeschickt. Netty Bütz, 1940 in Verviers in einem Privathaushalt beschäftigt, kam zu Fuß bis nach Dünkirchen [60], François Wolgarten irrte bis nach Südfrankreich, um sich dort einer neu zu gründenden belgischen Armee anzuschließen [61].

Auch im Norden Frankreichs verbreitete sich schon mehr und mehr das Chaos, die Menschen waren mit sich selbst beschäftigt und wollten sich nicht auch noch um Fremde kümmern. Oft wurden belgische Flüchtlinge arg beschimpft „Boches du Nord“ - man warf ihnen vor, die belgische Armee leiste nicht genügend Widerstand und hätte schließlich auch zu früh kapituliert. In dieser Stimmung wurden am 20. Mai 1940 in Abbéville 21 willkürlich ausgewählte Schutzhäftlinge, die nach dem oben erwähnten Ausnahmegesetz in Belgien verhaftet und nach Frankreich deportiert worden waren, erschossen [62]. Am 28. Mai 1940 streckte Belgien dann bedingungslos die Waffen, nachdem jeder weitere Widerstand zwecklos war, nur eine tödliche Gefahr für die umherirrenden Flüchtlinge bedeutete und eine weitere Zerstörung des Landes mit sich gebracht hätte.Am 17. Juni bat Frankreich um Waffenstillstand, der am 22. unterzeichnet wurde, eine Woche später kehrten die mit Deutschland sympathisierenden abgeschobenen Faschisten nach Belgien zurück. Die geflohenen und verschleppten Juden mussten in Frankreich bleiben und kamen in Lager, die 1939 für die spanischen Flüchtlinge errichtet worden waren, insbesondere nach Gurs, wo unvorstellbar schlimme hygienische Zustände herrschten [63]. Die Mehrzahl wurde 1942 über das Lager Drancy bei Paris in den Osten deportiert und ermordet [64].

Der deutsche Militärbefehlshaber: die Kontinuität bleibt gewahrt
Im Gegensatz zur niederländischen Königsfamilie, blieb der belgische Monarch - nicht die Regierung - nach der Kapitulation im Land und betrachtete sich im Schloss Laeken als deutscher Kriegsgefangener [65] - was ihn aber nicht davon abhielt, Hitler am 19. Oktober 1940 seine Aufwartung auf dem Obersalzberg zu machen.
Und ebenfalls im Gegensatz zu den Niederlanden bekam das Land keinen Zivil-, sondern einen Militärverwalter, es war dies ein Zugeständnis Hitlers an die Wehrmachtsführung [66]. Den Militärs ging es darum, zu verhindern, dass hier eine von der Partei dominierte Verwaltung ein ähnliches Schreckensregiment wie im 1. Weltkrieg oder wie gerade in Polen eingerichtet, etablieren würde. Chef der Militärregierung wurde der 62jährige General Freiherr Alexander von Falkenhausen, ein Neffe des letzten Generalgouverneurs im ersten Krieg, Ludwig Freiherr von Falkenhausen - sicherlich ein schlechtes Omen für die Zivilbevölkerung. Von Falkenhausen gehörte wohl zu jener deutschnationalen eher reaktionär-konservativen Offiziersclique, die zwar eigentlich nichts mit den Nazi-Rabauken zu tun haben wollte [67], aber auch nicht 1933 gegen deren Machtergreifung opponierte, da sie die Aufrüstungs- und Revanchepläne der neuen Führung als auch im eigenen Interesse liegend ansah.

Als Verwaltungschef stand Falkenhausen Eggert Reeder, ehemaliger Regierungspräsident in Köln zur Seite, der wohl mehr aus Karriere- denn aus Überzeugungsgründen Parteimitglied war.
Doch schon im Herbst 1940 etablierten sich das Reichssicherheitshauptamt und diverse andere NS-Dienststellen in Belgien. Die Gestapo bezog ihr Hauptquartier in der Avenue Louise in Brüssel. Im Kampf um die Macht im Lande zog die Wehrmacht bald den Kürzeren.

Der Militärbefehlshaber genierte sich dann zukünftig auch nicht, die vom Reichssicherheitshauptamt übermittelten Verordnungen gegen die jüdische Bevölkerung in Kraft zu setzen. Auf Druck seitens der SS ließ er schließlich auch im Konzentrationslager Fort Breendonk Geiselerschießungen für ermordete belgische Kollaborateure durchführen. Am 26. Juli 1944, nach mehreren Interventionen von Parteistellen von seinem Amt abgelöst, wurde von Falkenhausen in Berlin von der SS verhaftet und bis Kriegsende festgehalten.
Noch nach dem Krieg beteuerte von Falkenhausen nichts von der Vernichtungspolitik der Nazis gewusst zu haben, was aber angesichts der Stellung des Generals und der Informationsquellen, über die er verfügte, als unglaubwürdig gelten muss.
Am 9. März 1951 in Brüssel wegen der Geiselerschießungen zu 12 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, wurde er noch am gleichen Tag über die deutsche Grenze abgeschoben.

Judenverfolgung und Deportation [68]
Nach der Regierungsübernahme durch die deutschen Militärbehörden, wurden zunächst keine Sanktionen gegen die jüdische Bevölkerung erlassen. Dies änderte sich jedoch bereits im Herbst 1940. Doch da den Parteidienststellen bald bewusst wurde, dass die belgische Bevölkerung antijüdischen Maßnahmen zumeist ablehnend gegenüberstand, sollte die Deportation der Juden aus dem Land möglichst nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stattfinden. Aus diesem Grund wurden auch keine belgische Polizeieinheiten, wohl aber einheimische Nazis zu antijüdischen Maßnahmen eingesetzt. Vielleicht nur widerwillig verkündete die Militärverwaltung, auf Veranlassung des Reichssicherheitshauptamtes, die ersten das Leben der jüdischen Mitbürger einschränkenden Verordnungen: Am 23.10.1940 wurde das rituelle Schlachten verboten [69], am nächsten Tag wurden die Gemeinden angewiesen so genannte Judenregister einzuführen, wobei eine Kopie an das Brüsseler Hauptquartier der Gestapo einzuschicken war. 42.000 jüdische Bürger ließen sich schließlich registrieren. Ebenfalls am 24.10. wurde eine Kennzeichnungspflicht jüdischer Unternehmungen, die Entfernung von Juden aus öffentlichen Ämtern und die Einziehung von Konten und Devisen jüdischer Bürger bekannt gegeben. Ausweise jüdischer Bürger mussten zukünftig mit einem Vermerk „Juif-Jood“ versehen werden. Im April 1941 kam es zu ersten systematischen Plünderungen durch flämische Faschisten im Judenviertel von Antwerpen, ab dem 31. Mai war Juden jede ökonomische Tätigkeit untersagt. Am 29. August folgte eine weitere Verordnung, die Juden nunmehr nur noch erlaubte in Brüssel, Antwerpen, Lüttich und Charleroi zu wohnen.

Am 25. November 1941 veranlasste die Besatzungsmacht die Einrichtung eines Judenrats, der „Association Juive en Belgique“ (AJB). Nach den Vorstellungen von Reinhard Heydrich sollten solche Gremien für die exakte und termingerechte Durchführung aller ergangenen oder zu ergehenden Weisungen verantwortlich sein. Die Personen, die sich hier zur Verfügung stellten, wollten durch Zusammenarbeit Schlimmeres von ihren Glaubensgenossen abwenden, letztendlich machten sie sich aber zu Erfüllungsgehilfen der Nazis.

Das erste Halbjahr 1942 sah weitere einschneidende Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung: ab Januar galt ein Ausreiseverbot, ab Mai erfolgten Zwangsverpflichtungen zur „Organisation Todt“ und das obligatorische Tragen des Judensterns wurde angeordnet, wenig später das Verlassen der Wohnung nach Anbruch der Sperrstunde streng untersagt. Nachdem nunmehr die jüdische Bevölkerung völlig vom öffentlichen Leben in Belgien ausgeschlossen worden war, stand für die Bürokraten des Todes als letzter Schritt die Deportation in den Osten an. In einer ersten Phase sollten 10.000 Juden aus Belgien in den Osten gebracht werden. Der Judenrat wurde angewiesen, in kürzester Zeit eine vollständige Liste aller in Belgien lebender Juden anzufertigen, um daraus 10.000 Kandidaten für den „Arbeitsdienst außerhalb Belgiens" auswählen zu können. Die Liste lag am 25.7.1942 vor und umfasste die Namen von rund 56.000 potentiellen Todeskandidaten.
Der Judenrat lieferte aber nicht nur die Namen an die SS aus, er besorgte auch die Zustellung der „Arbeitseinsatzbefehle“ und legte schließlich noch in seinem Namen ein beruhigendes Schreiben bei, dass es sich tatsächlich um einen Arbeitseinsatz und nicht um eine Deportationsmaßnahme handele.

Am 27. Juli trafen die ersten Menschen in der zum Sammellager für abgehende Judentransporte umfunktionierten Kaserne „Generaal Dossin de Saint Georges“ in Mechelen ein. Nur eine Woche später am 4. August ging der erste Transport nach Auschwitz, ihm folgten bis zum 31.7.1944 sechsundzwanzig weitere. Die Transporte in den Tod wurden bis zum letzten Augenblick organisiert. Am 4. September 1944 konnten dank des Vormarschs der Alliierten 400 Personen, die bereits auf der „Transportliste 27“ standen, die Kaserne auf freiem Fuß verlassen. Insgesamt wurden aus Mechelen 25.257 Menschen nach Auschwitz deportiert, davon 10.247 Männer, 9.917 Frauen und 5.093 Kinder. Zurück kamen nur 1.205 Personen, davon 718 Männer, 432 Frauen und 55 Kinder.

Widerstand [70]
Am 13. Mai 1940 wurde Nicolas Compère im Wald von Steppenes in der Nähe von Aywaille in den Ardennen standrechtlich erschossen[71]. Compère, Polizeikommandant von Seraing, hatte noch nach der Besetzung seines Amtes durch deutsche Soldaten die dortige Telefonzentrale zerstört. Er gilt als der erste hingerichtete belgische Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg. Doch in der kurzen Zeit des 18-Tage-Kriegs und in den ersten Monaten der Besetzung war von einem organisierten Widerstand wenig zu spüren. Die meisten Menschen standen unter dem Eindruck der gewaltigen deutschen Militärerfolge. Nichts schien sich der Wehrmacht in den Weg stellen zu können. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs gingen auch viele Belgier von der baldigen Landung in England aus. Das deutsche Zeitalter schien angebrochen, Anpassung, zumindest ein pragmatischer Umgang mit den ungeliebten Besatzern, schien vielen Belgiern auch aus Gründen des persönlichen Vorankommens zumindest zunächst geboten zu sein. Doch auch im Sommer 1940 gab es schon Menschen, die gegen den Strom schwammen: couragierte Bürger boten Personen - insbesondere Juden, die eine Verfolgung seitens der Deutschen zu erwarten hatten - Unterschlupf und Versteck an.

Horst Naftaniel, dem es gelungen war aus dem Internierungslager St. Cyprien in Südfrankreich zu fliehen und nach Belgien zurückzukommen, brachte seinen 1939 geborenen Sohn zu einem mit ihm befreundeten Brüsseler Ehepaar. Auf dem zuständige
n Polizeirevier gaben dann die „neuen Eltern“ augenzwinkernd und erfolgreich zu Protokoll, man habe ihnen ein Kind vor die Tür gelegt, das sie selbstverständlich behalten möchten. Der Junge wurde als Familienmitglied eingetragen und erhielt damit auch das Recht auf Lebensmittelkarten [72]. Ähnliches hat sich vielerorts abgespielt. In dem kleinen Dorf Cornémont in den Ardennen (heute Gemeinde Sprimont) trug der Gemeindesekretär jüdische Kinder als Angehörige dort ansässiger Familien in das Bevölkerungsregister ein. Der ganze Ort bewahrte Stillschweigen und die Kinder überlebten den Krieg [73]. Auch Paul Spiegel, heute Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wurde durch Pflegeeltern in Belgien gerettet [74].

Widerstand gegen die Besatzungsmacht konnte sich auch in Belgien - wie andererseits auch die Kollaboration - in vielfachen Formen ausdrücken. Aufmunternde Worte für vorbei
geführte Kriegsgefangene, ein Butterbrot oder ein Zigarettenstummel für Zwangsarbeiter, Anfertigung und Verteilung von Untergrundzeitungen, Verschwindenlassen von Denunziationsbriefen an die Gestapo, das Verstecken von Personen, Spionage, Sabotage und bewaffnete Auseinandersetzungen mit Kollaborateuren und Vertretern der Besatzungsmacht, all dies waren Formen von Widerstand.

Bereits im Sommer 1940 waren weitestgehend unabhängig voneinander in den südbelgischen Industrierevieren kleine bewaffnete Untergrundgruppen entstanden, die sich vor allem aus Aktivisten der Linksparteien und ehemaligen Rotspanienkämpfern zusammensetzten. Ihre Waffen kamen aus dem Fundus, dessen sich die zurückhastenden belgischen, französischen und britischen Truppen im 18-Tage-Krieg entledigt hatten. Der am 15. März 1941 von den verschiedensten Untergrundorganisationen gegründeten Unabhängigkeitsfront (Onafhandelijkheitsfront - Front de L'independance), traten diese bewaffneten Gruppen als Belgische Partisanenarmee (PA) bei. Die Unabhängigkeitsfront war allen weltanschaulichen und religiösen Richtungen gegenüber offen. Da ihr aber als einzige Partei die Kommunisten beitraten, galt sie als von dieser dominiert. Dies führte dazu, dass eher rechts gerichtete Gruppen sich von der Front fernhielten, und dass diese nur sehr geringe Waffenlieferungen aus England per Fallschirm erhielt [75].

Widerstand im deutsch-belgischen Grenzland bedeutete vor allem Fluchthilfe. Insbesondere in den plattdeutsch sprechenden altbelgischen Gemeinden, wo fast die gesamte Bevölkerung die 1940 von Deutschland vollzogene Annexion ablehnte, beteiligten sich viele junge Menschen an solcherlei Aktionen. Nach 1940 wurden zwar auch noch vereinzelt jüdische Mitbürger illegal über die neue deutsch-belgische Grenze gebracht, vor allem erstreckte sich jetzt aber die Hilfe auf entflohene Kriegsgefangene und auf abgeschossene Bomberpiloten. Auch Gemmenich, der Heimatort von Netty Bütz, gehörte jetzt zum Reich und Netty war „Deutsche auf Widerruf. Zur Arbeit in Aachen verpflichtet, verhalf sie als belgische Patriotin, die den Besatzern schaden wollte, französischen Kriegsgefangenen zur Flucht. Im August 1942 denunziert, kam sie, bis zur Ausreise nach Schweden im April 1945, in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Dort wurde aus der glühenden Patriotin auch eine überzeugte Antifaschistin [76]. François Wolgarten und seine Familie verließen, um nicht deutsche Staatsbürger zu werden, den ebenfalls annektierten Ort Welkenraedt und verzogen in die Ardennen [77]. Im deutsch gewordenen St. Vith beschäftigt, half er auf seinem täglichen Rückmarsch von der Arbeit entflohenen Franzosen über die Grenze. 1943 zur Zwangsarbeit nach Köln verschickt gelang ihm von dort die Flucht und im Herbst des gleichen Jahres schloss er sich den Partisanen in den Ardennen an.

Partisanen in Belgien? Belgien ist ein kleines Land, aber vor allem im Waldgebiet der Ardennen hat es größere zusammenarbeitende Partisanengruppen gegeben [78]. Zunächst waren die einzelnen Untergrundkämpfer bei Bauern versteckt, wo sie einem gewöhnlichen Tagewerk nachgingen und sich nur zu verabredeten Aktionen vereinten: etwa Überfälle auf Poststationen oder Gemeindebüros. Dort ging es darum, Geld oder Papiere zu erbeuten, um z.B. Untergetauchten helfen zu können. Zumeist gaben die Beamten selbst den Untergrundkämpfern die Information, wann es sich denn lohnte, einmal bei ihnen vorbeizuschauen. Ende 1943 ging die Besatzung verschärft dazu über, einzelne Gehöfte nach Widerstandskämpfern zu durchsuchen, notgedrungen zogen sich die Untergetauchten daher in die Wälder zurück. Aus den Limburgischen Kohlengruben befreite sowjetische Staatsbürger, die eine Art Grundausbildung im Partisanenkampf besaßen, brachten den Belgiern dabei alles Überlebensnotwendige bei.

Eine wesentliche Rolle
im Untergrund spielte auch das „Comité de Defense des Juifs“ (CDJ) [79], das ebenfalls zur Front gehörte und sich insbesondere auch um das Verstecken von Menschen und deren Versorgung kümmerte, aber auch an bewaffneten Aktionen, etwa der Beseitigung von Kollaborateuren, beteiligte. Der mit der Besatzung kooperierende Judenrat (ABJ) sah im CDJ ein Werkzeug des Sowjetkommunismus, dessen Aktionen unbeteiligte jüdische Bürger gefährdeten. Der Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz, der von drei Aktivisten fast ohne fremde Hilfe durchgeführt wurde, stellt eine der Ruhmestaten des jüdischen Widerstands in Belgien dar [80]. Den jüdischen Partisanen ist neben der Erinnerungsstätte der aus Belgien deportierten Juden in Anderlecht ein eigenes Denkmal gewidmet.

Einen dritten Weg zwischen Judenrat und Widerstand ging wohl der aus Aachen stammende Fabrikant und Erfinder Felix Meyer
[81]. 1938 nach der Pogromnacht mit seiner aus Brüssel stammenden Frau nach dorthin übergesiedelt, scheint es ihm geglückt zu sein, durch geschicktes Taktieren auch mit der Gestapo das Leben von über 1000 Menschen vor der Deportation zu bewahren. Durch den oft lebensgefährlichen Einsatz vieler belgischer Bürger gelang es 30.000 der 56.000 registrierten Juden zu retten!

Nach der Landung der Alliierten in der Normandie bekam auch der belgische Widerstand weiteren Zulauf. Vor allem wurden jetzt großzügig antikommunistische Gruppen außerhalb der Front, wie die „Armee Secrète“ mit Waffen versorgt. Im August 1944 verstärkten auch die Partisanen in den Ardennen ihre Aktionen, u.a. wurden für deutsche Militärtransporte wichtige Brücken gesprengt. Nach der Ankunft der Amerikaner, ließ man die Partisanen zunächst noch Wachdienste an amerikanischen Militärdepots verrichten. Doch die zurückgekehrte Exilregierung ging schnell daran, die ihr suspekten Partisanen zu entwaffnen. Schließlich ging sogar das Gerücht um, Einheiten der von den Alliierten bewaffneten Geheimarmee könnten gegen die Partisanen eingesetzt werden. Nur wenige Partisanen wurden dann im darauf folgenden Winter in die neu gegründeten belgischen Streitkräfte aufgenommen.


IV.: „Der Schoß ist fruchtbar noch“
Das Strafgericht in Eupen-Malmedy [82]

Mit dem 8. Mai 1945 hörte auch in den Ostkantonen die Geschichte nicht auf. Gleichzeitig mit den Amerikanern rückte hier die belgische „Armee blanche“ (Weiße Armee) ein. Wurde ihr Kern zwar von Widerstandskämpfern und belgischen Patrioten gebildet, so schwammen doch auch auf der Siegerseite - gelinde gesagt - zwielichtige Elemente mit, denen es unter dem Vorwand der Entnazifizierung und Zerschlagung deutschen Einflusses auch um die Begleichung privater Rechnungen und Rachegelüste ging.
Gerade über das Gebiet von Eupen-Malmedy, die Ostkantone, kam in den Folgejahren ein neues strenges Regiment: so mancher Eupen-Malmedyer, gerade erst aus alliierter Gefangenschaft entlassen, fa
nd sich schon bald in belgischer Haft wieder. Teilweise willkürliche Verhaftungen auch von Frauen und Jugendlichen gehörten zum Alltag. Gegen 25% der dortigen Bevölkerung, etwa die Hälfte der arbeitsfähigen Männer wurden Voruntersuchungen der Kriegsgerichte geführt [83].

Anzumerken bleibt aber auch, wie in den Westzonen und der späteren Bundesrepublik mit ehemals führenden „Heimattreuen“ aus Eupen-Malmedy und dort tätigen Parteibonzen aus dem „Altreich“ umgegangen wurde: „Heimattreue“ Agitatoren aus Eupen-Malmedy, die sich aus Angst vor Verfolgung nicht mehr nach Belgien zurücktrauten und teilweise auch in Abwesenheit verurteilt worden waren, wie auch die hier tätigen reichsdeutschen Beamten, wurden von den westdeutschen Behörden nicht zur Verantwortung gezogen, stattdessen wurden sie als Kämpfer für das Deutschtum herausgestellt und entsprechend „ehrenvoll“, behandelt. Nicht nur die Mitgliedschaft in der „Heimattreuen Front“, sondern etwa auch die am 10. Mai 1940 z. B. vom „Segelfliegerverein und Kyffhäuserbund in Eupen vorgenommenen „Sicherungsmaßnahmen“, wurden auch noch nach 1945 als positiv im Sinn der deutschen Sache herausgestellt. Eupen-Malmedyer, die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe in Belgien, nach Westdeutschland übersiedelten, wurde bedeutet, dass ihnen hier nichts drohe, die BRD-Staatsbürgerschaft wurde automatisch verliehen.

Der Nachkriegsfaschismus in Belgien [84]
Mit der Befreiung Belgiens und der Niederlage des Hitlerfaschismus war hierzulande ebenfalls zunächst der Boden für solche Bewegungen zerstört. Der flämische Nationalismus war durch die Kollaboration mit Nazi-Deutschland nahezu vollständig diskreditiert. Leon Degrelle, der während des Kriegs der höchstdekorierte Offizier der Waffen-SS wurde, gelang es bei Kriegsende nach Spanien zu entkommen. Damit konnte er sich der Vollstreckung der Todesstrafe in Belgien entziehen.
Durch den nach dem Krieg einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung war ebenfalls zunächst faschistischer Agitation weitestgehend der Boden entzogen.

Der Nachkriegsfaschismus in der Wallonie
In der Wallonie und in Brüssel bildete sich in den 60ger Jahren die faschistische Gruppe „Jeune Europe“, die 1969 durch die Nem-Clubs abgelöst wurde (benannt nach ihrem Organ „Nouvel Europe Magazine“). Dieses Blatt erreichte Auflagen bis zu 35.000 und predigte insbesondere die Sonderstellung der „weißen Rasse“. Sammelbecken der traditionellen Strömungen des wallonischen Faschismus ist seit den 80ger Jahren der Front National, der nicht nur dem Namen nach an die damals von Le Pen geführte Bewegung in Frankreich erinnert. Bei landesweiten Wahlen bleibt ihr und anderen der wallonischen rechtsextremen Gruppen - etwa auch Agir - der Erfolg weitestgehend verwehrt.
In den 80ger und auch in den frühen 90ger Jahren gab es aber auch starke Indizien dafür, dass der wallonische Faschismus eine ähnliche Doppelstrategie anwandte, wie sie von italienischen Faschisten in den sechziger Jahren erprobt wurde: Zum einen durch terroristische Aktionen und Anschläge den Staatsapparat zu verunsichern, in der Bevölkerung Rufe nach einem 2starken Mann“ auszulösen und auch eine Aufrüstung des Polizeiapparats zu erreichen; zum anderen der Versuch die Staatsorgane zu unterwandern, dies insbesondere bei Justiz, Streitkräften und Gendarmerie. Die seltsamen Vorgänge um die „Brabanter-Killer-Bande“, auf deren Konto 28 völlig sinnlose Morde gingen, das Wegloben von Staatsanwälten, Behinderungen von Richtern, die in rechtsextremen Verfahren ermittelten, Brandanschläge auf Universitäten mit vielen Schwerverletzten, Gerüchte von Staatsstreichsplänen, all dies wies in diese Richtung...

Der Nachkriegsfaschismus in Flandern
In Flandern bildeten sich bereits in den 60ger Jahren organisatorisch fest gefügtere neofaschistische Organisationen heraus. Am auffallensten war der Vlaamse Militantenorde (VMO), eine SA-ähnlich auftretende Prügeltruppe: Graues Hemd, schwarze Stiefel, Koppel und Runenhelm, waren seine Markenzeichen. Zu benennen bleiben auch das Taal Aktie Komitee (Sprachenaktionskomitee, TAK), und die Gruppe „Were Di“, die sich insbesondere durch aggressive Auftritte gegen französischsprachige Bewohner in der Voer-Gemeinde, einer zur niederländischsprachigen Provinz Limburg gehörenden Exklave auf dem Gebiet der Provinz Lüttich einen Namen machten [85].
Oft kam es zu regelrechten Schlachten zwischen diesen Organisationen und Antifaschisten etwa bei der jährlich stattfindenden
„Ijzerbedevaart“ oder aber auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Lommel.

Der „Vlaams Blok“ (V.B.)
Seit 1977 bildet der Vlaams Blok (VB), den Kristallisationspunkt der flämischen neofaschistischen und konservativ-reaktionären Gruppen und Bestrebungen und dient als deren legale Fassade.
Der VB steht eindeutig in der Tradition der historischen flämischen faschistischen Bewegung und bedeutet deren organisatorische Fortsetzung. Stets treten seine Spitzenfunktionäre
vorbehaltlos für die Wiederherstellung der Ehre der ehemaligen Kollaborateure mit der Besatzungsmacht ein.
Die programmatischen Aussagen des VB sind rassistisch. Als erste Organisation in Flandern nach dem II. Weltkrieg gab er sich in dieser Frage auch offen zu erkennen und stellte sie auch in den Mittelpunkt seiner Wahlagitation. Seine Wahlerfolge begründen sich somit vor allem in der rabiaten Ausländerfeindlichkeit. So fordert der VB die Absch
iebung nichteuropäischer (maghrebinischer) Ausländer und sogar solcher Menschen der zweiten und dritten Generation, die in Belgien geboren wurden und Nordafrika nur vom Hörensagen kennen! Die Ausländerabschiebung wird als Allheilmittel gegen die Arbeitslosigkeit propagiert. Damit findet der VB widersinnigerweise oftmals bei solchen Menschen Gehör und Anhänger, deren demokratische Organe er vollständig eleminieren will: bei Nochbeschäftigten, Arbeitslosen und durch die Krise deklassierten Menschen. Die Gewerkschaften in ihrer heutigen Form haben im Programm des VB keinen Platz mehr. An ihre Stelle sollen Organisationen treten, die vor allem das sog. „Betriebsinteresse“ hochhalten. Streiks sollen verboten, der „Arbeitsfrieden“ gesetzlich vorgeschrieben werden, der Jahresurlaub soll gekürzt, Überstunden nicht mehr bezahlt, Arbeitslosengeld für verheiratete Frauen ganz gestrichen werden, u.a.m.

In der Innenpolitik wird die Todesstrafe gefordert, Abtreibungen sollen verboten sein. Das Unterrichtswesen soll nicht im Sinne einer Öffnung und Demokratisierung reformiert werden, sondern stattdessen die Förderung von Eliten oberstes Prinzip sein.
D
er Durchbruch für den Vlaams Blok kam bei den Wahlen 1991. Musste er sich bis dato mit 1% der belgischen Wählerstimmen begnügen, so kam er nun auf 7% [86]. Dies bedeutete eine Versechsfachung der Sitze in Kammer und Senat: in der Kammer von 2 auf 12 und im Senat von einem auf sechs.
Bei den Kommunalwahlen 1994 kam der VB in Antwerpen auf 28,5% (!) und wurde damit stärkste Partei. Seine Beteiligung an der Ma
cht konnte nur durch eine Superkoalition aller anderen 7 im Stadtrat vertretenen demokratischen Parteien verhindert werden.

Bei den Kommunalwahlen am 8.10.2000 erhielt der VB dann 32,95% in Antwerpen und verfügt nunmehr über 20 der 55 Ratssitze. Auch in anderen flämischen Städten etwa in Mechelen und Gent liegt der VB über 20%. Doch noch hält der „Cordon sanitaire“, ein Abkommen aller demokratischen Parteien in Flandern, das diese verpflichtet, keine Koalition mit dem VB einzugeben. Bei der Einsetzung der neuen Gemeinderäte am 2. Januar wurde somit auch weiterhin kein Bürgermeister des VB ernannt.

Erinnern
Das Erinnern in Belgien wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von den zahlreichen „Ehemaligenverbänden" hochgehalten. Und wie in Belgien üblich, gibt es auch davon eine ganze Menge z.B. die alten Soldaten, die Kriegsgefangenen, die politischen Gefangenen, die Deportierten, die Widerständler usw. Zunächst ging es nach dem Krieg darum, in Verhandlungen mit der belgischen Regierung zu erreichen, dass die Opfer und Leistungen der Betroffenen statuarisch anerkannt wurden. Leider waren die Ergebnisse für die verschiedenen Betroffenengruppen durchaus unterschiedlich. Während etwa die anerkannten politischen Gefangenen eine hohe Rente erhalten, gingen die ehemaligen Partisanen fast leer aus. Oft musste um einen anerkannten Status gerungen werden. Horst Naftaniel etwa bekam als Opfer des Nazi-Regimes aus Deutschland bis zu seinem Lebensende eine mehr als bescheidene Rente von nicht einmal 900 DM. Vergeblich hatte er sich in den fünfziger Jahren in Belgien bemüht, als politischer Gefangener anerkannt zu werden, da er aber nur das Statut eines Deportierten erhielt, ging er nahezu leer aus.

An Gedenktagen und bei Beerdigungen trifft man die Ehemaligen, oft mit Fahnen an. Ihre Reihen dünnen sich natürlich immer mehr.
Die Unabhängigkeitsfront nimmt heute auch Nachgeborene in ihre Reihen auf, doch de
r Andrang ist eher gering. François Wolgarten ist heute einer der stellvertretenden nationalen Vorsitzenden dieser Vereinigung: er und seine Mitstreiter wollen nicht nur erinnern, sondern treten auch entschieden für Frieden, Demokratie, Verteidigung der Menschenrechte und gegen Faschismus, Rassismus und Amnestie für Kollaborateure ein.


Anmerkungen:
[1] vgl. für das Nachfolgende: Dietrich, Karlheinz: Die Belgier, ihre Könige und die Deutschen. Geschichte zweier Nachbarn seit 1830, Düsseldorf 1989, hier insbes. S.11-97; Franck, N.: Belgien im Laufe der Jahrhunderte, Brüssel 1950, S.5-176.
[2] vgl. hierzu: Diedrich: ebd., hier S.150-152
[3] vgl. hierzu z. B.: Lindner, Th.:
Der Krieg gegen Frankreich und die
Einigung Deutschlands
, Berlin 1895, hier insbes. S.71f
[4] so der Titel eines Buches von Georg Geliert, Berlin o.J. (ca. 1915).Es
handelt sich hierbei um eine „Veröffentlichung der deutschen Gesellschaft zur Verbreitung guter Jugendschriften und Bücher", deren Ehrenpräsident Reichskanzler Fürst von Bülow war. Die Darstellung der Kriegshandlungen 1914 ist in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet, die insbesondere Stimmung für das brutale deutsche Vorgehen in Belgien machen soll. So erleben Mitglieder der Familie Hellwig in Belgien die allerschlimmsten Übergriffe eines entfesselten Mobs an wehrlosen deutschen Zivilisten und Soldaten. Das Propagandatraktat gipfelt in der Darstellung der Erschießung eines belgischen Adligen, der nichts ahnenden
deutschen Soldaten nach dem Leben trachtet. Deutschem Großmut ist es
schließlich zu verdanken, dass die vorgesehene Niederbrennung des Schlosses unterbleibt, dies um dem minderjährigen (jetzt: Waisentöchterlein das Erbe zu erhalten!).
[5] Am „Vierländereck“ bei Aachen kamen die Niederlande, Belgien, Deutschland und das bis zum Inkrafttreten des Versailler Vertrags existierende Gebiet von Neutral-Moresnet zusammen; vgl. zu dessen Geschichte z.B.:Ruland, Herbert: Arbeiterbewegung im Gebiet von Neutral-Moresnet (Altenberg, Kelmis-La Calamine), in: Ders.: Zum Segen für uns Alle. Obrigkeit, Arbeiterinnen und Arbeiter im deutsch-belgischen Grenzland (1871-1914), Eupen 2000, hier insbes. S.225-238 u. 315-318
[6] vgl. Vanneste, Alex:
„Kroniek van een dorp in oorlog. Neerpelt 1914-1918. Het dagelijks leven, de Spionage en de elektische draadversperring aan de Belgisch-Nederlandse grens tijdens de Eerste Wereldoorlog, Deel 1: 1914-1915, Deurne 1998,8.14
[7] W
ilhelm II. in der berüchtigten „Hunnenrede“ bei der Verabschiedung des deutschen Expeditionskorps nach China (sog. ,Boxeraufstand') am 27.7.1900
[8] vgl. Petri, Franz/ Schöller, Peter:
Zur Bereinigung des Franktireurproblems vom August 1914, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 9, 1961, S.234
[9] die detaillierteste zeitgenössische Darstellung, die wohl alle Orte
benennt, in denen im August/September 1914 Übergriffe an der Zivilbevölkerung stattgefunden haben: Cuvelier, Joseph: La Belgique et la guerre, Teil II: L'invasion Allemande. Preface de Henri Pirenne, recteur de l'universite de Gand, Brüssel 1921; ausführliche - aber nicht alle vorkommenden Orte berücksichtigende Listen während der Besatzungszeit 1914-1918 von deutschen Soldaten getöteten belgischen Zivilisten in: Lyr, Rene: Nos Heros. Morts pour la patrie. L'epopee Belge de 1914 à 1918.(Histoire et documentation). Tableau d'honneur des officiers, sous-officiers, soldats, marins et civils tombes pour la defence des foyers belges, hier erw. Ausgabe Brüssel 1930, quatrieme partie, S. 1-35
[10] mündliche Auskunft von Frau Netty Drooghaag-Bütz an den Autor
[11] vgl. Hermanns, Leo: Die Eucharistiner vom Garnstock, in:
Geschichtliches Eupen, Eupen 27. Jg. 1994, S.ölf; bei dem unter Anm. 10 geschilderten Massaker kam auch ein preußischer Staatsbürger, der Schreiner Jean Dadt ums Leben, Frau und Tochter des ebenfalls erschossenen Landwirts Joseph Miessen, dessen Leichnam erst nach 14 Tagen in seinem völlig niedergebrannten Haus gefunden wurde, kamen schwer verletzt in das Eupener Krankenhaus, da sie ebenfalls preußische Staatsbürger waren, vgl. ders.: Eupen im Ersten Weltkrieg, in: Geschichtliches Eupen, 33. Jg. 1999, hier S.59
[12] vgl. Mass
enaux, Guillaume: Baelen-sur-Vesdre. Village auxmarches de la Francite. Temoignages de son evolution au cours du dernier siècle. L'expansion de la langue française, suite aux deux guerres, Baelen 1981, S.55-59
[13] vgl. zu den Vorgängen in Löwen: Schivelbusch, Wolfgang: Die Bibliothek von Löwen. Eine Episode aus der Zeit der Weltkriege,
München, Wien 1988
[14] vgl. u.a. bei Dietrich: Die Belgier, a.a.O., S.258-261; Donat, Helmut:
Wer sich uns in den Weg stellt...- Aus einem dunklen Kapitel deutscher
Geschichte: der Überfall auf Belgien imAugust 1914, in: Donat, Helmut/
Strohmeyer, Arn (Hrsg.): Befreiung von der Wehrmacht? Dokumentation
der Auseinandersetzung um die Ausstellung Vernichtungskrieg -
Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944' in Bremen 1996/97, Bremen
1997, S.93
[15] Solche Berichte finden sich in den ersten Augustwochen 1914 in allen deutschen Tageszeitungen, wobei es sich fast ausschließlich um zensierte Meldungen der halboffiziellen Nachrichtenbüros WTB handelt, deshalb sind zunächst in fast allen Zeitungen die gleichen Kommuniques wiedergegeben. Erst mit einer Lockerung der Zensur und der Zulassung von Kriegsberichterstattern Ende August, wird die Berichterstattung vielfältiger, aber darum noch lange nicht wahrheitsgetreuer. In der Eupener Lokalpresse, die hier untersucht wurde, finden sich dann insbesondere Horrorberichte angeblicher Eupener (N.N.), die den Kriegsausbruch in Belgien erlebt hätten. Auch über die Zerstörung von grenznahen Ortschaften und Massakern an der Zivilbevölkerung wird berichtet, wobei nach Ansicht der Verfasser, die Betroffenen diese Maßnahmen einzig und allein ihrem heimtückischen Verhalten gegenüber den deutschen Soldaten zuzuschreiben hatten. [16] z. B.: Lindner: a.a.O., insbes. S.102f [17] Hermanns: Erster Weltkrieg, a.a.O., [18] ebd.,
[19] vgl. hierzu z.B.: Cuvelier: L'Invasion Allemande, a.a.O., S.82-86 [20] vgl.: Kreuer, Hubert: Eupen beim Einzug der Deutschen nach Belgien, in: Vom Krieg und von Daheim, Sonderbeilage der Eupener Nachrichten, Nr.5 v. 24.12.1914, S.33f, teilw. abgedr. bei Hermanns, Leo: Eupen im Ersten Weltkrieg, a.a.O., S.61-63 [21] „'Die Belgier sinnen auf Rache!' hieß es, „sie organisieren Franktireurbanden, die nur auf den geeigneten Zeitpunkt warten, da sie über uns herfallen können", so munkelte man./.../ Und die Aengstlichen der Einwohner harrten und bangten. Was soll aus uns werden? Von Franktireurs überfallen werden - schrecklich! Verstümmelt, geschändet, gemordet, die Häuser in Brand gesteckt! 0 Gott, wie soll das enden! Und unsere armen Kinder!. In einzelnen Familien wird fieberhaft gepackt, um möglichst schnell fliehen zu können...", Kreuer, ebd., S.33 [22] vgl. hierzu: Wieland, Lothar: Belgien 1914. Die Frage des belgischen .Franktireurkrieges' und die deutsche öffentliche Meinung von 1914 bis 1936, FFM,Bern,New York 1984 [23] hier zit. nach Donat: Wer sich uns.., a.a.O., S. 100 [24] vgl. z.B.: D'Ars, C.M.L.: La Fureur Boche aNamur, Antwerpen, o.L; Prouvaire, Jean: Sac et massacres de Louvain, Antwerpen o J. [25] FIllustration, Journal Universel, 72. Jg. 1914, Nr. 3744 v. 5.12., S.432f
[26] Obwohl die Errichtung des elektrischen Zauns an der belgischniederländischen Grenze einen weiteren wesentlichen Einschnitt in das Leben der Menschen im besetzten Land und wohl mehreren tausend Personen den Tod brachte, ist die Erinnerung hieran fast gänzlich erloschen. Auch in der belgischen Fachliteratur aus der Zwischenkriegszeit, die ja versuchte ein möglichst dramatisches Bild der Besatzungszeit zu zeichnen, tauchte der Zaun seltsamerweise zumeist nur am Rand oder in Fußnoten auf. In deutschen Veröffentlichungen aus dieser Zeit wird der Zaun, wenn überhaupt, zumeist als Ort spannender Auseinandersetzungen zwischen alliierter Spionage und deutscher Gegenspionage dargestellt, vgl. z.B.: Binder, Heinrich: Spionagezentrale Brüssel. Der Kampf der deutschen Armee mit der belgisch-englischen Spionage und der Meisterspionin Gabriele Petit, Hamburg, Berlin, Leipzig, 1929; Vanneste: Een Dorp, a.a.O., Teil I und II: Seite 287-292 im l. Teil enthält das Faksimile einer Orginalkarte, die den Verlauf der Anlage von Aachen bis an die Scheide zeigt; Herzog, Martin/Rösseler, Marko: Der große Zaun. Ein bizarres Kapitel aus der Terrorgeschichte des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg, in: Die Zeit, 16.4.1998, S.82. Mit den Auswirkungen dieser Grenzsperre auf das Leben der damaligen Bewohner der Euregio Maas-Rhein, wird sich der Autor dieses Textes an anderer Stelle ausführlich beschäftigen, vgl. auch Ruland: Die tödliche Elektrofalle. Der 2000-Volt-Zaun zwischen Belgien und Holland fing in Aachen an, in: Aachener Nachrichten, 10.8.1999, S. Euregio [27] Vanneste zit. n. Herzog/Rösseler, ebd.,
[28] vgl. Emunds, Paul: Rauchfahnen, Streikfahnen, Staubfahnen auf Rothe Erde über Eilendorf, Forst und Nirm, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte einer Arbeiterwohngemeinde, Schriftenreihe Band 2, Aachen 1989, S.145-147
[29] Die eigentliche Verbindung von Deutschland nach Antwerpen mit Abzweigen nach Südbelgien und Nordfrankreich, ging durch Niederländisch-Limburg und stand wegen der Neutralität dieses Landes Deutschland im l. Weltkrieg nicht zur Verfügung. Beim Bau der Ersatzlinie sollen etwa 1000 Russen eingesetzt gewesen sein, vgl. Bovy, Armand: La Ligne 24. Tongres-Vise-Gemmenich, o. O., 1998, S.65-67,144 u. 180; nicht zuletzt durch Ausschachtungsarbeiten auf einem ehemaligen russischen Lagerplatz in der Gemeinde Moresnet, erhärtet sich immer mehr der Verdacht, daß hier auch zur Zwangsarbeit verpflichtete Russinnen eingesetzt waren, der Autor wird dem nachgehen. [30] Zum Alltagsleben der Bevölkerung während der Besatzungszeit immer noch informativ: Rency, Georges: La vie materielle de la Belgique durant la guerre mondiale. La Belgique et la guerre, Bd.l, Brüssel 1920 [31] vgl. hierzu und für das Nachfolgende zusammenfassend auch Dietrich, a.a.O., S.262
[32] vgl. hier insbes. Thiel, Jens: Belgische Zwangsarbeiter in Deutschland im Ersten Weltkrieg, Magisterarbeit (unveröffentlicht), Humboldt-Universität, Berlin 1997
[33] So hieß es in einer diesbezüglichen Mitteilung des preußischen Kriegsministeriums vom Oktober 1916: "Eigentliche Konzentrationslager für zwangsweise abgeführte belgische Arbeiter sollen nicht errichtet, auch der Ausdruck ,Lager' vermieden werden und statt dessen von Unterkunftsstätten für Industriearbeiter gesprochen werden", ebd., S. 106. [34] zur Rolle des Primas von Belgien im 1. Weltkrieg, vgl. Meseburg-Haubold, Ilse: Der Widerstand Kardinal Merciers gegen die deutsche Besetzung Belgiens 1914-1918. Ein Beitrag zur politischen Rolle des Katholizismus im 1. Weltkrieg, FFM, Bern 1982
[35] vgl. Wieland: Belgien, a.a.O., hier insbes. S.95-105; Donat: Wer sich uns in den Weg stellt, a.a.O., S.98-101
[36] In Eupen- Malmedy fand im Gegensatz zu anderen im Versailler Vertrag bestimmten Abstimmungsgebieten keine ,Volksabstimmung' unter weitestgehend neutraler Völkerbundkontrolle, sondern eine ,Volksbefragung' unter belgischer Aufsicht statt, wobei das Ergebnis vorauszusehen war. In den beiden Hauptorten lagen Listen aus, in die sich die Person, die eine weitere staatliche Zugehörigkeit zu Deutschland wünschte, mit Namen eintragen mußte. Gerade für die ländliche Bevölkerung gab es erhebliche Anreiseschwierigkeiten. Kam man dann zum Abstimmungslokal, war dieses oft geschlossen oder ein Einschreiben verwehrt. In ihrer Angst, oft von einer interessierten probelgischen Propaganda bestätigt, befürchteten die meisten Betroffenen, bei einer Sympathiebekundung zugunsten des Reichs aus ihrer angestammten Heimat verwiesen zu werden, ihren Besitz zu verlieren und ihr bei steigender Inflationsrate zusehends wertloser werdendes deutsches Geld nicht in belgische Franken umgetauscht zu bekommen. Auch fürchteten viele Industriearbeiter, den sog. .Dreisprachenstempel' in ihrem Paß gestrichen zu bekommen, der ihnen bei den geringen Betätigungsmöglichkeiten vor Ort, die Arbeit im grenznahen Deutschland erlaubte. Auch behielt die belgische Regierung Stillschweigen gegenüber der Bevölkerung, dass ein Referendum über die staatliche Zugehörigkeit des Gebiets überhaupt stattfand, und auch die streng zensierten Zeitungen konnten nur das berichten, was die mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Sonderregierung des Generals Baltia mit Sitz in Malmedy zuließ. Lange ließ man die Bevölkerung auch im Unklaren über das Ergebnis der Befragung . Es waren schließlich nur 271 Personen, die sich in die Protestlisten eintrugen; zumeist Staatsbeamte, die um ihr Statut beibehalten zu können, mit ihren Familien nach Deutschland verzogen, vgl. ausf: Doepgen, Heinz: Die Abtretung des Gebietes von Eupen-Malmedy an Belgien im Jahre 1920, Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn, Bonn 1966. [37] zur Entwicklung in Belgien in der Zwischenkriegszeit vgl. z.B. Dietrich: Die Belgier, a.a.O., S. 294-339.
[38] Einführend zum bilateralen Verhältnis in den dreissiger Jahren: Klefisch, Peter: Belgien und Deutschland 1930-1940, in: Centre de recherches et d'etudes historiques de la deuxieme guerre mondiale (Hrsg.): Belgique une societe en crise, un pays on guerre, actes du colloque tenu a Bruxelles du 22 au 26 octobre 1990, Brüssel 1993, S.141-158 [39] vgl. Ruland, Herbert: Netty Drooghaag aus Gemmenich. ,Sie gehen in das Konzentrationslager Ravensbrück für Frauen', in: Ruland u.a.: Zwischen Hammer und Amboß. Eupen, Malmedy, St. Vith und die ,zehn Gemeinden' von 1939-1945, Eupen 1996, S.104-116 [40] vgl. Du Jardin, A.: Gabrielle Petit: L'heroine nationale, Antwerpen o.J.; Binder, Heinrich: Spionazentrale Brüssel. A.a.O., S. 43-85 [41] Tatsächlich diente die Verehrung von Gabrielle Petit, wie überhaupt das Gedenken an den ,Großen Krieg' in Belgien in der Zwischenkriegszeit nicht zuletzt dazu, bei jungen Menschen Vaterlandsliebe und Patriotismus -was hier vor 1914 kaum Tradition hatte - zu erzeugen. Schon die Umbettung der sterblichen Überreste von G. Petit in die Kirche von Schaarbeck am 29. Mai 1919 wurde zu einem nationalen Ereignis, an der Mitglieder der belgischen und englischen Königsfamilie, Abordnungen aller belgischen Regimenter, sowie über 3000 (!,) ehemalige politische Gefangene teilnahmen. Der belgische Ministerpräsident Delacroix schloß seine Ansprache mit dem Ausruf: "Belgische Frauen! Von dieser Stunde an ist Gabrielle Petit eure Nationalheldin!", zit. n. Binder: ebd., S.9. Kardinal Mercier, entschiedener Gegner und Kritiker der deutschen Besatzungspolitik: "Schreibt ihren Namen in alle Bücher! Schreibt ihn in euer Herz! Meißelt ihn ein auf den Giebeln der Schulen! Das heldenhafte Leben unserer unvergeßlichen Gabrielle Petit lehrt uns gut sterben und ihr heldenhafter Tod lehrt uns gut leben", zit. n. ebd., S.85.
[42] vgl. hierzu, Ruland, Herbert: Francois (Rik) Wolgarten: Ein belgischer Patriot aus Welkenraedt, der nicht Deutscher werden wollte, in Ruland u.a.: Zwischen Hammer und Amboß, a.a.O., S. 117-139 [43] vgl. für das Nachfolgende, wenn nicht anders angegeben: Ders: Faschistische Bewegungen, Widerstand und Flüchtlingsschicksale in Neubelgien in der Zwischenkriegszeit, in: Ders., Kolloquiumsbericht. Ostbelgien und der 10. Mai 1940. Zeitgeschichte, Verdrängung und Aktualität. Büllingen 12. Mai 1990, Eupen 1991, S.18-46 [44] Über mehr oder weniger verdeckte Kontakte deutscher Stellen nach Belgien und teilweise auch Einflußnahme auf die dortigen faschistischen Bewegungen vgl.: Rost, Nico, Nazi-Propaganda in Flandern, in: Die Neue Weltbühne, Prag 35. g. 1939, H.31 v. 3.8., S.978f u. H. 32 v. 10.8., S.1001-1005.
[45] vgl. hierzu: Pabst, Klaus: Eupen-Malmedy in der belgischen Regierungs- und Parteienpolitik 1914-1940, Sonderdruck aus. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. 76, Aachen 1964, hier insbes. S.264-435
[46] 1938 besuchte der antifaschistische niederländische Autor und Journalist Nico Rost das Gebiet von Eupen-Malmedy. Nachdem er sich als Vertreter der NS-Presse ausgegeben hatte, erzählten ihm die übertölpelten Führer der HF vieles, was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Rost veröffentlichte seine Recherchen in der damals in Prag erscheinenden .Neuen Weltbühne', vgl. hierzu: Ruland, Herbert: „Unsere Vergangenheit und wir", Teil 3-7: Auf den Spuren Eupener und Eifeler Nazis. Eine historische Reportage von Nico Rost aus dem Jahr 1938 überarbeitet und kommentiert von Herbert Ruland, in: Zaungast, 10. Jg. 1989, Juni S.8-11; Sept. S.10f;Nov. S.lOf, Dez.,S.llf und 11. Jg. 1990, S.llf. [47] vgl. für das Nachfolgende: Ruland: Kolloquiumsbericht, a.a.O., S.37-41; ausf.: Arntz, Hans-Dieter: Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet. Kreisgebiet Schieiden, Euskirchen, Monschau, Aachen und Eupen/Malmedy, Euskirchen 1990; Ginzel, Günther Bernd (Hrsg.) zusammen mit Hans Joachim Henke, Stefan Kirschgens und Winfried Krantz: „Das durfte keiner wissen!". Hilfe für Verfolgte im Rheinland von 1933-1945, Gespräche, Dokumente, Texte, Köln 1995; Kirschgens, Stefan. Wege durch das Niemandsland, Dokumentation und Analyse der Hilfe für Flüchtlinge im deutsch-belgischniederländischen Grenzland in den Jahren 1933-1945, Köln 1998 T Q [48] vgl. hierzu z. B. die entsprechenden Aufsätze und Fotodokumente in: Historisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.), 110. Sonderausstellung: Wien 1938, Wien 1988 [49] zu den militärischen Ereignissen, nicht zuletzt zur Eroberung der Forts um Lüttich: Bierganz, Manfred/ Heeren, Robert: 10. Mai 1940. Zwischen Aachen und Lüttich, Eupen 1990
[50] vgl. hierzu z.B. die Beiträge in: Pütz, Karl: Volksdeutsche Jugend zwischen den Fronten, Berlin 1942
[51] zu Eupen-Malmedy 1940 - 1944/45: Schärer, Martin, R.: Deutsche Annexionspolitk/im Westen. Die Wiedereingliederung Eupen-Malmedys im Zweiten Weltkrieg, Bern/FFM, 1975
[52] exemplarisch zur Stimmung in einem der Dörfer rund um Eupen, Malmendier-Cormann, Josefine: Lontzen und der 10. Mai 1940. Studienabschlußarbeit zur Erlangung des Graduats in Arbeits- und Sozialwissenschaften an der Volkshochschule der Ostkantone,Eupen 1990 [53] vgl. hierzu z.B. Bredohl, Bernhard: Die alten Soldaten greifen ein, in: o. N., Eupen-Malmedy ist frei! 3. Aufl., Aachen 1941, S.16-19 [54] so z. B. dem Eupener Polizeikommissar Fritz Hennes, vgl. Der erste politische Gefangene Belgiens war der Eupener Polizeikommissar Fritz Hennes, in: Toussaint, Heinrich, Bittere Erfahrungen. Schicksale einer Kriegsgeneration im Grenzland, Bd. II, 2. Aufl. Eupen 1988, S.364-372 [55] Petri/ Schöller: Zur Bereinigung, a.a.O. [56] vgl. für das Folgende, wenn nicht anders angegeben: Von Mettenheim, Amelis: Felix Meyer 1875-1950. Erfinder und Menschenretter. Ein Jude rettet Juden im besetzten Belgien. Sein Leben dargestellt an Hand von Briefen, FFM 1998, S.103 [57] Die genaue Zahl anzugeben ist schwierig, da die belgischen Zivilstandsregister ja nicht die Religionszugehörigkeit einer Person anzeigen. Ein großer Prozentsatz des liberalen jüdischen Bürgertums hatte sich zudem völlig von seinen religiösen Wurzeln entfernt oder war teilweise auch zum Katholizismus konvertiert. Nachdem auch in Belgien am 24.10.1940 nach der NS-Rassenlehre sog. Judenregister eingeführt wurden, meldeten sich etwa 4000 Personen belgischer Staatsbürgerschaft, vgl.: Schreiber, Marion: Stille Rebellen. Der Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz, Berlin 2. Aufl. 2001, S.56 [58] Von Mettenheim: Felix Meyer, a.a.O. ,8.51 [59] vgl.: Ruland, Herbert: Horst Naftaniel - ein Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz-Monowitz, in: Ders. u. a.: Zwischen Hammer, a.a.O., S.94
[60] vgl. Ruland: Netty Drooghaag, in Ruland u.. A.: Zwischen Hammer..,
a.a.O., S.106f
[61] vgl. Ruland: Francois (Rik) Wolgarten, in, ebd., S.118
[62] vgl.: Trees, Wolfgang: Paul Demez, Todeskandidat aus Verviers, in:
Ders.: Krieg ohne Sieg. Schicksale in Europa 1935-1945, 1. Aufl. 1978,
hier S. 237-240
[63] Von Mettenheim: Felix Meyer, a.a.O., S.55
[64] ebd., S.103
[65] zur Haltung des Königs und der Regierung nach dem deutschen
Überfall: Dietrich, Die Belgier, a.a.O., S.351-406
[66] vgl. hierzu und für das Folgende, wenn nicht anders angegeben:
Schreiber: Stille Rebellen, a.a.O., S. 40ff; Von Mettenheim: Felix Meyer,
a.a.O., S.56f
[67] Dass es sich bei den führenden deutschen Wehrmachtsoffizieren oft
nicht um ausgemachte Nazis handelte, haben dem Autor auch zahlreiche
ehemalige belgische Widerstandskämpfer ausdrücklich berichtet. So
bekam die Partisanengruppe um Francois Wolgarten aus der Wehrmacht
zumindest in einem Fall Hinweise aufsog. ,Gestapisten': Zivilisten, die
Landsleute bei der Gestapo denunzierten. Deren Liquidierung wurde
seitens der Wehrmacht nicht weiter verfolgt. Charles Richter,
Widerstandskämpfer und Deserteur, der sich damals in einem Kloster in
Lüttich versteckte, berichtete, daß der dortige Ortskommandant ein
korrekter Mann gewesen wäre und sich aus Auseinandersetzungen unter
Belgiern heraus gehalten hätte. Er soll auch in die Aufstandsbewegung des
20. Juli verwickelt gewesen sein. Unter dem Druck der SS nahm der
Militärgouverneur hier aber schließlich eine harte Haltung ein und ließ
auch für getötete Kollaborateure Geiseln erschießen
[68] vgl. wenn nicht anders angegeben Schreiber: Stille Rebellen a.a.O.;
Von Mettenheim: Felix Meyer, a.a.O.; Zeller, Ron/Griffioen, Pim:
Judenverfolgung in den Niederlanden und in Belgien während des Zweiten
Weltkriegs. Eine vergleichende Analyse, Teil I, in: 1999. Zeitschrift für
Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, Hamburg, 11. Jg. 1996,
H.3, S.30-54u. 12. Jg. 1997, H.l, S.29-41
[69] vgl. für das Folgende auch: Ruland, Herbert: Chronologie der
Judenverfolgung im besetzten Belgien, in: Ders. u. A.: Zwischen
Hammer..., a.a.O., S.102f
[70] ausführlich: Commission de l'Historique de la Resistance instituee
par le Ministere de la Defense Nationale: Livre d'Or de la Resistance
Beige, Brüssel o.J.
[71] vgl.: Ruland, Herbert: Auf den Spuren der Partisanen in den
Ardennen, in: Zaungast, 16. Jg. 1995, hier S.11
[72] vgl.: Ruland, Herbert: Horst Naftaniel..., in : Ders. u. A.: Zwischen
Hammer, a.a.O.,8.94; um den Jungen zu schützen, hatten ihn die
Pflegeeltern auch katholisch taufen gelassen. Als Horst seinen Sohn nach
dem Krieg zurückholte, ließ er es dabei bewenden, für andere jüdische
Eltern bedeutete dies ein großes Problem
[73] mündliche Auskünfte der Dorfbewohner an den Autor; ein Foto des
Denkmals in Ruland, Herbert: Auf den Spuren, a.a.O., S. 12
[74] vgl. das Vorwort von Paul Spiegel, in: Schreiber: Stille Rebellen,
a.a.O., S.7-9
[75] vgl. Onafhankelijkheidsfront - Kommissie Geschiedenis en
Orientatie (Hrsg.): Nazisme - Fascisme. Gisteren en Vandaag, 3. erg.
Aufl. Brüssel 1994, hier S. 10-12
[76] vgl.: Ruland: Netty Drooghaag, in: Zwischen Hammer, a.a.O., hier
insbes. S. 107-115
[77] vgl. für das Folgende: Ders.: Francois (Rik) Wolgarten, in: ebd.,
S.119-139
[78] ebd., vgl. auch ders.: Auf den Spuren,...
[79] vgl. auch: Schreiber: Stille Rebellen, a.a.O., S.94-110
[80] ebd., insbes. S. 196-290
[81] Von Mettenheim: Felix Meyer, a.a.O.,
[82] Ruland: Kolloquiumsbericht, a.a.O., S.45f
[83] Schärer: Deutsche Annexionspolitik, a.a.O., S.264
[84] vgl.: Abramowicz, Manuel: Extreme-Droite et Antisemitisme en
Belgique. De 1945 ä nous jours, Brüssel 1993; Ruland, Herbert: ,We zitten
in de pataten'. Der Rechtsextremismus in Belgien, Wahlnachlese 1991, in:
Zaungast, 12. Jg. 1991, Nr. 3, S.6f, 9 u. 12; Das Abschneiden der
rechtsextremen Parteien in Belgien seit den Kammer- und Senatswahlen
1991, ebd., Nr.4, S.2f
[85] zu den militanten Auseinandersetzungen in der Voer in den siebziger/
achtziger Jahren, die oft von rechtsextremistischen Gruppen getragen
wurden, vgl. z.B. Bauer.Marcel (Text) und Christoph, Henning (Fotos),
Kabale und Hiebe, in GEO, Nr. 4/1981, S.34-50
[86] nach der aktuellen belgischen Tagespresse

 

 

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Koordination der „Aktionstage Politische Bildung“


Demokratieerziehung in Brüssel


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft in der „Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im pädagogischen Beirat des „Jüdischen Museums der Deportation und des Widerstandes in Mechelen“


Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Verwaltungsrat der Gedenkstätte Breendonk



 

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