Irena Sendler 15. Februar 1910 - 12. Mai 2008
„Das war meine Pflicht und keine Heldentat“
Irena Sendler wurde im Jahre 1910 als Tochter eines katholischen Arztes geboren. Von ihrem Vater, der überwiegend arme, jüdische Patienten behandelt, erbt sie das christliche Engagement und wird Sozialarbeiterin in Warschau.
Als die Deutschen Polen überfallen und mit der systematischen Judenvernichtung beginnen, startet sie ihre beispiellose Rettungsaktion. Sie riskiert dabei ihr Leben, denn auf Judenhilfe steht die Todesstrafe.
Die Autorin Anna Mieszkowska hat jetzt erstmals die unglaubliche Geschichte der mutigen Irena Sendler aufgeschrieben, die das Leben eines ganzen Volkes retten wollte.
Anna Mieszkowska: Es ging, wenn man so will, um die biologische Substanz des jüdischen Volkes. Diese Kinder sollten nach dem Krieg das Leben des vernichteten jüdischen Volkes fortsetzen. Irena Sendler war sich dessen bewusst, dass es nicht um einzelne Kinder geht, sondern um die Existenz eines Volkes. Unabhängig davon, ob wir 20 oder 200 Kinder retten. Sie hat sie auch als Keimzelle für ein neues Leben gesehen. Die Erwachsenen waren sowieso zum Tode verurteilt, aber die Kinder hatten eine Chance zu überleben.
Ab 1942 gehörte Irena Sendler der polnisch-jüdischen Organisation Zegota an. Die Hilfsorganisation Zegota war ein Zusammenschluss unter der polnischen Exilregierung von Polinnen und Polen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Weltanschauungen, die versuchten, ab 1942 Juden vor den deutschen Besatzern zu retten. Mit Ärzten arbeitete nun Irena Sendler in einer Abteilung zur Vermeidung von Epidemien.
So konnte sie sich Zugang zum Warschauer Ghetto verschaffen und zusammen mit anderen Helfern insgesamt 2.500 Kinder, in nur knapp 3 Jahren, aus dem Ghetto schmuggeln. Man versteckte die Kinder in Kisten in Feuerwehrautos, Ambulanzen oder Straßenbahnen oder man ging mit ihnen zu Fuß durch Abwässerkanäle. Damit die Kinder nicht schrieen verabreichte man ihnen Schlafmittel.
Mit gefälschten Papieren bekamen sie draußen eine neue Identität und ein neues Zuhause in Waisenhäusern, Klöstern und Pflegefamilien.
1943 wurde Irena Sendler von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt. Unter Folter man brach ihr alle Fußknochen sollte sie die Namen der geretteten Kinder preisgeben, doch sie verriet nichts.
Um eine spätere Zusammenführung der Kinder mit ihren Eltern zu ermöglichen, hatte Irena Sendler die Namen und Decknamen der Kinder auf kleine Papierstreifen, die sie zusammenrollte, notiert. Die Papierröllchen hob sie in einem Marmeladeglas auf, das auf ihrem Küchentisch stand.
Bei ihrer Verhaftung konnte sie die Papierröllchen einer gerade anwesenden Freundin der Widerstandsgruppe zustecken. In der Achselhöhle versteckt konnte diese die „Namenslisten“ in Sicherheit bringen. Sie vergrub sie in einem Einmachglas unter einem Apfelbaum in ihrem Garten.
Die Organisation Zegota konnte Irena Sendler durch Zahlung von Bestechungsgeldern an zwei SS-Männer, die sie am Tag der Hinrichtung laufen ließen, freibekommen.
Von der offiziell vollzogenen Hinrichtung erfuhr sie später über Anzeigetafeln der Besatzer. Irena Sendler änderte daraufhin ihre Identität und lebte unter falschem Namen bis zum Ende des Krieges im Untergrund.
Im Jahr 1965 wurde Irena Sendler von Yad Vashem mit dem Titel Gerechte unter den Völkern geehrt. Am 10. November 2003 erhielt sie mit dem Weißen Adler für Tapferkeit und großen Mut die höchste Auszeichnung Polens. 2007 wurde sie vom Warschauer Senat geehrt und war eine von 181 Nominierten für den Friedensnobelpreis 2007. Zudem erhielt sie 2007 die internationale Auszeichnung „Kavalier des Ordens des Lächelns“.
Auf die Frage der Schüler/innen warum Irena Sendler für diese Kinder ihr Leben riskierte antwortete die Autorin:
"Ihr Vater starb, als Irena sieben Jahre alt war. Aber sie prägte sich für immer seine Worte ein, dass man Menschen nur in gute und schlechte einteilt. Nationalität, Rasse, Religion haben keine Bedeutung. Nur was für ein Mensch jemand ist." Das Motto ihres Vaters sollte Irena für immer prägen. "Es ist immer deine erste Pflicht, einem in Not geratenen Menschen die Hand hinzustrecken."
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